Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung einer Anrechnungsverfügung nach Ablauf der fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist. Beginn der Zahlungsverjährung erst mit Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Änderung einer aufgrund eines mechanischen Versehens rechtswidrig begünstigenden Anrechnungsverfügung nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO, die innerhalb der einjährigen Frist nach Kenntniserlangung erfolgt, scheitert nicht an der erst nach Ablauf von fünf Jahren erfolgten Kenntnis des FA.
2. Die Frist für die Zahlungsverjährung gem. § 229 Abs. 1 S. 2 AO beginnt erst nach dem Entstehen des Rückforderungsanspruchs gem. § 37 Abs. 2 AO in Folge der Änderung der Anrechungsverfügung (keine Anwendung BFH v. 27.10.2009, VII R 51/08, BStBl II 2008, 504 auf den Fall der Rücknahme einer Anrechnungsverfügung unter Berücksichtigung lediglich fiktiver Steueranrechnungsbeträge).
Normenkette
AO § 37 Abs. 2, §§ 228, 229 Abs. 1 S. 2, § 130 Abs. 3, 2 Nr. 4, § 218 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Rückzahlung zu Unrecht erstatteter Lohnsteuerbeträge.
Die Kläger waren in dem streitigen Veranlagungszeitraum 1997 verheiratet und wurden vom Beklagten gemäß § 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie bezogen jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 1997 mit Bescheid vom 23. Februar 1998 (Rbh-Akten I Bl. 12-14) auf 14.458 DM fest. Nach Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuerbeträge ergab sich hieraus eine Einkommensteuererstattung in Höhe von 3.631 DM zuzüglich Nebenabgaben. Mit Bescheid vom 7. Juli 1999 (Rbh-Akten I Bl. 18-20) änderte der Beklagte die vorgenannte Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und setzte die Einkommensteuer auf 15.116 DM fest. Nach der unveränderten Anrechnung der Steuerabzugsbeträge und der Abrechnung mit den bereits erstatteten Beträgen ergab sich hieraus eine Nachzahlung in Höhe von 658 DM zuzüglich Nebenabgaben. Auf den Einspruch der Kläger vom 5. August 1999 erließ der Beklagte am 30. Juli 2002 einen abermals geänderten, dem Einspruchsbegehren stattgebenden Einkommensteuerbescheid 1997 (Rbh-Akten Bl. 31-33), mit dem die Einkommensteuer auf 14.458 DM herabgesetzt wurde. Wegen einer Umstellung der Datenverarbeitung des Beklagten zum 1. Januar 2000 waren zur Anfertigung des Abhilfebescheids sämtliche Eingabedaten neu zu erfassen. Bei dieser Datenerfassung wurde die für den Kläger einbehaltene Lohnsteuer versehentlich mit dem 10-fachen Wert (153.550 DM statt 15.355 DM) eingegeben (Rbh-Akten I Bl. 33). Unter Einbeziehung der zutreffend eingegebenen Lohnsteuer der Klägerin und nach Aufrundung der anzurechnenden Lohnsteuer auf volle DM-Beträge wurde auf die in dem Änderungsbescheid festgesetzte Einkommensteuer unzutreffend einbehaltene Lohnsteuer in einer Gesamthöhe von 156.285 DM angerechnet. Die Anrechnung von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer erfolgte zutreffend mit den ursprünglichen Beträgen. Die fehlerhafte Eingabe der einbehaltenen Lohnsteuer führte nach Abrechnung mit den bisher erstatteten bzw. gezahlten Beträgen zu einer weiteren Einkommensteuererstattung in Höhe von 70.995 EUR und zur Festsetzung von Erstattungszinsen nach § 233a AO in Höhe 14.182 EUR. Bei zutreffender Anrechnung der Lohnsteuer hätte sich eine Einkommensteuererstattung in Höhe von 336 EUR sowie eine Festsetzung von Erstattungszinsen in Höhe von 58 EUR (35 Monate × 0,5 % × 336 EUR) ergeben. Der sich aus der fehlerhaften Anrechnung ergebende Erstattungsbetrag wurde auf das von den Klägern in ihrer Einkommensteuererklärung 1997 angegebene Bankkonto überwiesen.
Im Rahmen einer 2008 durchgeführten Überprüfung von hohen Auszahlungsbeträgen durch die zentrale Controlling- und Revisionsstelle des Landesamts für zentrale Dienste wurde der Beklagte auf die unrichtige Erfassung der anzurechnenden Lohnsteuer aufmerksam gemacht. Der Beklagte erließ daraufhin am 7. November 2008 gegenüber den zwischenzeitlich geschiedenen Klägern als Gesamtschuldnern eine geänderte Anrechnungsverfügung zur Einkommensteuer 1997 (Rbh-Akten II Bl. 22-27). Dabei wurde der zu Unrecht erstattete Steuerbetrag in Höhe von 70.657,98 EUR zurückgefordert und zum 10. Dezember 2008 fällig gestellt. Die Änderung der Abrechnung stützte der Beklagte auf § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO. Verbunden mit der geänderten Abrechnung erfolgte eine auf § 233a Abs. 5 AO gestützte Neufestsetzung der Zinsen zur Einkommensteuer 1997. Die Zinsen wurden hierbei auf 26.441 EUR festgesetzt, was nach Abrechnung mit den bisher erstatteten Zinsen zu einer Nachforderung in Höhe von 40.623 EUR führte.
Mit Schreiben vom 9. bzw. 25. November 2008 legten die Kläger Einsprüche gegen die geänderte Anrechnungsverfügung ein. Der Beklagte behandelte diese als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2...