Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutz gegen einen durch das Finanzamt gestellten Insolvenzantrag. Leistungsklage. Ermessen. Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Finanzgerichtlicher Rechtsschutz gegen einen finanzamtlichen Insolvenzantrag kann nur durch Erhebung einer Leistungklage erreicht werden. Eines Verwaltungsvorverfahrens bedarf es nicht.
2. Ob die Behörde zu einer Leistung verurteilt werden kann, bestimmt sich regelmäßig nach Sachstand und Rechtslage zum Zeitpunkt der (finanz-)gerichtlichen Entscheidung. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensausübung im Rahmen einer Leistungklage darf das Finanzamt daher seine Ermessenserwägungen nicht nur ergänzen, sondern gegebenenfalls auch völlig neu treffen.
3. Ist nach den Umständen des Falles mit einer baldigen Tilgung der Abgabenrückstände nicht zu rechnen, so handelt das Finanzamt nicht ermessensfehlerhaft, wenn es seinen Insolvenzantrag aufrecht erhält, um wenigstens eine mit den anderen Gläubigern des Schuldners gleichrangige Befriedigung seiner Ansprüche zu erlangen.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1, §§ 44, 102; AO 1977 §§ 5, 251; InsO § 13
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger, ein selbständiger Innenarchitekt, und seine Ehefrau, eine kaufmännische Angestellte, werden beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Seit 1997 sind die Eheleute bzw. der Kläger in wechselnder Höhe mit erheblichen Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbeträgen sowie steuerlichen Nebenforderungen rückständig, die sich am 19. April 2002 auf insgesamt 48.760,86 EUR beliefen (Bl. 292 ff. VollstrA II). Hierwegen beantragte der Beklagte am 16. Mai 2002 beim AG S, Außenstelle A das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers zu eröffnen (Bl. 19 f.).
Über den Eröffnungsantrag ist im amtsgerichtlichen Verfahren noch nicht entschieden, nachdem der Beklagte den Einspruch des Klägers (Bl. 26 ff.) mangels Verwaltungsaktcharakters des Insolvenzantrages durch dem Kläger am 24. Oktober 2002 zugegangene Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2002 als unzulässig verworfen (Bl. 29 ff.) und der Kläger dagegen am Montag, den 25. November 2002 beim FG Klage erhoben hat.
Nach Klageerhebung hat der Kläger im wieder aufgenommenen finanzgerichtlichen Verfahren 1 K 406/02 (früher 1 K 152/01) in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2002 seine am 6. Juni 2001 erhobene Klage gegen die nach § 284 AO ergangene Aufforderung des Beklagten zur Ableistung der eidesstattlichen Versicherung zurückgenommen, nachdem er erläutert hatte, die Steuerschuld voraussichtlich bis zum 30. März 2003 begleichen zu können und der Beklagte hierwegen erklärte, dem Kläger die eidesstattliche Versicherung nicht vor Ablauf des 30. März 2003 abzuverlangen (1 K 406/02, Bl. 175 f. = 334 f. VollstrA II).
Im vorliegenden Verfahren beantragt der Kläger,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2002 den Beklagten zu verurteilen, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers zurückzunehmen.
Unabhängig von der Rechtsnatur eines finanzamtlichen Insolvenzantrages sei der Finanzrechtsweg gegeben (Bl. 15 f.).
Der Insolvenzantrag sei ermessensfehlerhaft gestellt. Denn die Steuerschuld sei durch eine Zwangshypothek des Beklagten auf sein Grundstück und eine zusätzliche Lohnpfändung bei seiner Ehefrau gesichert (Bl. 16).
Nach der Zivilrechtsprechung dürfe ein Insolvenzantrag weder als Druckmittel auf den Schuldner zur Erbringung von Zahlungen noch zur Ermittlung pfändbarer Vermögenswerte eingesetzt werden (Bl. 16 f.).
Ebenso wenig sei es ermessensgerecht, einen Insolvenzantrag neben einem laufenden gerichtlichen Verfahren wegen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO zu stellen (Bl. 17).
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Es bestehe ein berechtigtes Interesse für den finanzamtlichen Insolvenzantrag (Bl. 44).
Weil der Kläger auf die Vereinbarung vom 5. Dezember 2002 im erledigten finanzgerichtlichen Verfahren 1 K 406/02 wegen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nur 19.000 EUR und später im September 2003 lediglich nochmals weitere 1.000 EUR habe leisten können und die Lohnpfändung bei seiner Ehefrau nur insgesamt 705 EUR erbracht habe, bestünden unter Einbeziehung der zwischenzeitlichen Einkommen- und Umsatzsteuerveranlagungen für 2001 und 2002 und der sich daraus zu Gunsten des Klägers ergebenden Verrechnungsmöglichkeiten nach dem Stand vom 8. Januar 2004 immer noch Abgabenrückstände in Höhe von insgesamt 32.192,14 EUR. Selbst wenn davon 15.559,94 EUR auf Säumniszuschläge entfielen und diese jedenfalls zur Hälfte zu erlassen seien, bleibe immer noch ein hoher Rückstand (Bl. 42, 46 f.), der berechtigterweise auf Zahlungsunfähigkeit des Klägers im Sinne der §§ 14, 17 InsO schließen lasse (Bl. 43). Indem bei ihm zwischenzeitliche weitere Einzelvollstreckungsmaßnahmen gänzlich erfolglos verlaufen, seine angekündigten Verhandlungen...