Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsichtsrecht eines Insolvenzverwalters
Leitsatz (redaktionell)
1. Es besteht kein Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Einsicht in die beim Finanzamt i. R. d. Besteuerungsverfahrens des Schuldners geführten Akten zu dem einzigen Zweck, Insolvenzanfechtungsmöglichkeiten zu prüfen; es besteht aber ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das FA den Antrag unter Berücksichtigung des Abwehrinteresses des Staates ablehnt.
2. Die Abgabenordnung regelt bewusst kein Akteneinsichtsrecht. Diese spezielle Negativregelung ist gegenüber anderen Gesetzen (z. B. Datenschutzgesetz, Informationsfreiheitsgesetz) abschließend.
Normenkette
AO § 85 ff.; BDSG § 19; Saarl. DSG § 20; IFG § 1
Tenor
1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom … zum Insolvenzverwalter der … GmbH (nachfolgend: GmbH) bestellt, nachdem er bereits mit Beschluss vom … zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden war. Der Beklagte hatte vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mehrere Vollstreckungen gegen die GmbH ausgebracht.
Am 15. Oktober 2008 beantragte der Kläger beim Beklagten Einsicht in die Vollstreckungsakten der GmbH, da ihm nicht alle finanzamtlichen Buchungsunterlagen zur Verfügung stünden. Der Beklagte lehnte den Antrag am 16. Oktober 2008 förmlich ab. Zur Begründung führte er aus, in der Abgabenordnung sei für das Verwaltungsverfahren keine Akteneinsicht vorgesehen; etwaige wegen der fehlenden Buchungsunterlagen verlangten Informationen könnten anhand von Kontoauszügen der zuständigen Finanzkasse zur Verfügung gestellt werden. Gegen diesen ablehnenden Bescheid legte der Kläger mit der Begründung Einspruch ein, er habe kraft Gesetzes die Aufgabe, zu prüfen, inwieweit Anfechtungsmöglichkeiten nach der Insolvenzordnung bestehen würden. Nach den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen sei davon auszugehen, dass ein Grund für eine Insolvenzanfechtung vorliege. Mit Einspruchsentscheidung vom 4. November 2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Am 3. Dezember 2008 hat der Kläger Klage erhoben.
Er beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Einsicht in die Vollstreckungsakten betreffend die GmbH (Steuernummer …) zu gewähren.
Das Verwaltungsgericht sei zuständig (§ 9 Abs. 4 IFG Bund). Da der Beklagte aber in seiner Rechtsmittelbelehrung die Klage vor dem Finanzgericht angegeben habe, habe der Kläger diesen Weg beschritten.
Nach der Rechtsprechung des BGH seien Zahlungen der Schuldnerin anfechtbar, die unter Vollstreckungsdruck geleistet worden seien. Der Insolvenzverwalter habe die Verpflichtung, zu prüfen, ob ein Anfechtungsgrund vorliege. Die Akten der GmbH würden dies nicht eindeutig belegen. Daher stehe dem Kläger ein Einsichtsrecht in die Akten des Beklagten zu. Die Akteneinsicht diene der Abgrenzung, welche Zahlungen auf die Rückstände und welche auf neue Steuerschulden verrechnet worden seien. Beides sei durch die Kontenauszüge des Beklagten nicht möglich, weil das Konto nur verdichtet, aber nicht historisch unter Berücksichtigung des Entstehens und Tilgens von Steuerschulden übermittelt werde. Zudem sei dem Kontoauszug nicht zu entnehmen, wegen welcher Steuerrückstände Vollstreckung angedroht oder durchgeführt worden sei.
Die Akteneinsicht stelle sich für den Kläger als die einfachste und gesetzlich vorgesehene Art und Weise dar, um in den Besitz der gesuchten Informationen zu kommen.
Es stehe dem Träger öffentlicher Verwaltung, der an Recht und Gesetz gebunden sei, schlecht an, wenn er einen gerichtlich bestellten und mit einem durch Bundesgesetz definierten Auftrag versehenen Amtswalter grundlos behindere. Es sei kein Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines Landes, wenn der Kläger das zurückfordere, was nach der Entscheidung des Bundesgesetzgebers allen Gläubigern und damit der Masse zur Verfügung stehen solle. Dies würde nämlich bedeuten, dass das Wohl des Bundes oder Landes dann gefährdet wäre, wenn es das herausgeben müsste, was ihm gar nicht zustehe.
Ein Akteneinsichtsrecht ergebe sich sowohl aus § 20 des saarländischen Datenschutzgesetzes als auch aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) bzw. des Saarlandes (SIFG). Letzteres regele als – im Vergleich zur AO – späteres Gesetz die Frage der Akteneinsicht auch für die Akten der Steuerbehörde. Der Gesetzgeber habe den Zugang des Bürgers zu allen Informationen des Staates herbeiführen wollen. Beide Gesetze räumten jedem Bürger ein vollständiges Informationsrecht über Kenntnisse der Behörden ein, soweit nicht Rechte Dritter oder besonders aufgezählte staatliche Belange, die hier nicht einschlägig seien, entgegenstünden. Für die Finanzverwaltung gebe es keine Ausnahmen. Zwar enthalte die AO – u.U. bewusst – keine Regelung eines Akteneinsichtsrechts. Die Rechtslage ...