Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bindung des FA an rechtsfehlerhafte Durchführung verfristeter Antragsveranlagung. Wiedereinsetzung bei materiell-rechtlichen Fristirrtum. Einkommensteuer 1998
Leitsatz (amtlich)
1. In den Fällen der Abschnittsbesteuerung reicht es für eine Wiedereinsetzung wegen Irrtums des Steuerpflichtigen über materielles (Steuer-)Recht nicht aus, dass sich der Steuerpflichtige aufgrund einer wiederholten rechtsfehlerhaften Begünstigung in bestimmten steuerlichen Verhalten bestätigt gesehen hat, sondern es muss zu der fehlerhaften Rechtsanwendung des FA noch ein zusätzlicher Akt der Verwaltung hinzu kommen, welcher dem Steuerpflichtigen das rechtsfehlerhafte Verwaltungshandeln in besonderer Weise einsichtig gemacht hat (hier: schlicht rechtfehlerhafte Durchführung verfristeter Antragsveranlagungen).
2. Irrt sich ein Steuerpflichtiger nicht über den (Ab-)Lauf der zweijährigen Ausschlussfrist für die Durchführung der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, sondern materiell-rechtlich über die Existenz dieser Frist als solcher, liegt regelmäßig kein unverschuldeter Grund für die Wiedereinsetzung vor, denn es besteht eine allgemeine Informationspflicht des Bürgers über die Gesetzeslage.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2; AO 1977 §§ 110, 150 Abs. 6, 1; EStG § 25 Abs. 3; AO 1977 § 108 Abs. 3; BGB § 242
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger, ein Stahlbauingenieur in leitender Stellung (Bl. 4, 7 Rb), und die nicht berufstätige Klägerin werden beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Am 5. Januar 2001 reichten sie ihre Einkommensteuererklärung für 1998 beim Beklagten ein (Bl. 4 ff. Rb). Darin erklärten sie Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit sowie Kapitaleinkünfte der Eheleute in Höhe von 2.265 DM. Die Werbungskosten zu Letzteren beliefen sich auf 2.502 DM (Bl. 9 Rb).
Durch Bescheid vom 11. Januar 2001 lehnte der Beklagte eine Veranlagung der Kläger ab, weil ihre Einkommensteuererklärung nicht bis zum 31. Dezember 2000 beim Finanzamt eingegangen war (Bl. 34 Rb). Mit ihrem Einspruch wandten die Kläger ein, der Versuch, die Einkommensteuererklärung am 30. Dezember 2000 mittels des Elster-Moduls elektronisch an das Finanzamt zu übertragen, sei gescheitert, weil weder die alte noch die neue Steuernummer akzeptiert worden sei. Außerdem seien die ebenfalls erst nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG eingereichten Einkommensteuererklärungen für 1994 bis 1997 durchweg sachlich beschieden worden (Bl. 35 f., 39 f. Rb).
Durch Einspruchsentscheidung vom 9. November 2001 (Bl. 14 ff.) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Gründe, welche die von den Klägern zugleich mit der Einspruchseinlegung beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben.
Am 10. Dezember 2001 haben die Kläger Klage erhoben.
Durch Gerichtsbescheid vom 25. Juni 2002, den Klägern am 1. Juli 2002 zugestellt (Bl. 67), hat der Senat die Klage als unbegründet abgewiesen (Bl. 52 ff.). Am 29. Juli 2002 haben die Kläger Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt (Bl. 69).
Sie beantragen,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 11. Januar 2001 in Form der Einspruchsentscheidung vom 9. November 2001 den Beklagten zu verpflichten, die Kläger unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erklärungsgemäß zur Einkommensteuer 1998 zu veranlagen.
Der Gerichtsbescheid habe den Sachverhalt in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht unzutreffend beurteilt. Denn sie hätten die zweijährige Ausschlussfrist unverschuldet versäumt (Bl. 69 ff.).
Dass es diese Ausschlussfrist gebe, sei ihnen trotz Verwendung eines steuerlichen Ratgebers, den sie nur für spezielle Rechtsprobleme herangezogen hätten, rechtsirrtümlich nicht bekannt gewesen (Bl. 28, 37, 72). Anderenfalls hätten sie ihre Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1994 ff. nicht ständig verspätet beim Beklagten eingereicht (Bl. 70, 71)
Angesichts der bisherigen finanzamtlichen Praxis, diese verfristeten Veranlagungen dennoch durchzuführen, hätten sie vom Beklagten spätestens bei der Mitteilung der neuen Steuernummer auf die Ausschlussfrist hingewiesen oder sonst darüber belehrt werden müssen (Bl. 28 FG mit 36 Rb; 72 f.).
Dass der Kläger am 30. Dezember 2000 wiederholt vergeblich versucht habe, die zwischen den Jahren fertig gestellte Einkommensteuererklärung 1998 elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln, erkläre sich deshalb nicht aus der Kenntnis der Ausschlussfrist, sondern allein daraus, dass der die Steuererklärungen fertigende Kläger dies wegen seiner beruflichen Belastung stets nur während der arbeitsfreien Tage zwischen den Jahren tun könne. Zu weiteren faktischen Übermittlungsversuchen noch innerhalb der Zweijahresfrist sei es dann wegen ihrer Silvestergäste nicht mehr gekommen. Im Übrigen träten bei der Übermittlung mit dem zugelassenen Elster-Modul immer wieder Übertragungssch...