Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung: Verpflichtung zur elektronischen Einreichung – Antrag einer Rechtsanwältin in eigener Sache – Auftreten als Berufsträgerin
Leitsatz (redaktionell)
1. Der von einer Rechtsanwältin bei dem Finanzgericht eingereichte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig, wenn er nicht als elektronisches Dokument übermittelt wird.
2. Die Verpflichtung zur elektronischen Einreichung entfällt nicht deshalb, weil die Antragstellerin in dem in eigener Sache geführten Verfahren nicht in ihrer Eigenschaft als Berufsträgerin auftritt (a.A. FG Düsseldorf, Urteil v. 19.9.2022 - 8 K 670/22 E,U, EFG 2022, 1853).
Normenkette
FGO § 52d S. 1, § 69 Abs. 3 S. 1
Gründe
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig. Die Antragstellung ist unwirksam, da die Formvorschrift des § 52d Satz 1 FGO, die durch Art. 6 Nr. 4, Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 10.10.2013 (BGBl. I 2013, S. 3786) mit Wirkung zum 1.1.2022 eingeführt wurde, nicht eingehalten worden ist.
Hiernach sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln.
Die Antragstellerin hat den schriftlich zu stellenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO dem Gericht am 18.7.2022 per Fax und nicht als elektronisches Dokument übermittelt (vgl. BFH, Beschluss v. 23.8.2022 - VIII S 3/22, BFH/NV 2022, 1248, Rn. 4). Die Antragstellerin ist Rechtsanwältin. Dies ergibt sich aus ihrem Vortrag, sie werde sich sofort bestellen, sobald Karte und Pin von der Bundesnotarkammer da seien, so dass die üblichen Rechtsanwaltskosten entstünden. Die Antragstellerin hat zudem ihre Schreiben im Einspruchsverfahren unter dem Briefkopf „ A - Rechtsanwältin” eingereicht.
Die Verpflichtung zur elektronischen Einreichung entfällt auch nicht etwa deshalb, weil die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht als Rechtsanwältin aufgetreten ist. Die Regelung knüpft allein an den Status als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin an (BFH, Beschluss v. 23.8.2022 - VIII S 3/22, BFH/NV 2022, 1248, Rn. 3). Sie ist daher so zu verstehen, dass es unerheblich ist, ob die jeweilige Person in ihrer Eigenschaft als Berufsträgerin auftritt oder nicht (gl.A. FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 8.3.2022 - 8 V 8020/22, EFG 2022, 846, Rn. 16; FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 6.10.2022 - 4 K 1341/22, Rn. 27 ff.; a.A. FG Düsseldorf, Urteil v. 19.9.2022 - 8 K 670/22 E,U, EFG 2022, 1853, Rn. 25). Weder aus dem Wortlaut noch aus sonstigen Anhaltspunkten ergibt sich, dass die Nutzungspflicht davon abhängt, ob im konkreten Fall als Rechtsanwältin aufgetreten wird oder nicht. Der Gesetzgeber hat die Nutzungspflicht an den berufsrechtlichen Status des Rechtsanwalts bzw. der Rechtsanwältin in ihrer Eigenschaft als „professionelle Einreicher” (BT-Drucksache 17/12634, S. 20) geknüpft. Diese Eigenschaft besteht unabhängig davon, ob die Person als Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin auftritt oder dies - etwa bei einem Antrag oder einer Klage in eigener Sache - nicht tut.
Ausnahmegründe nach § 52d Satz 3 FGO sind weder geltend gemacht noch sonst erkennbar. Insbesondere kann in dem Umstand, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag offenbar im Zeitpunkt der Antragstellung nicht über „Karte und Pin” der Bundesnotarkammer verfügte, weil ihr der Antrag rechtswidrig verwehrt werde, keine vorübergehende Unmöglichkeit aus technischen Gründen gesehen werden. Zudem fehlt es an der unverzüglichen Glaubhaftmachung gemäß § 52d Satz 4 FGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat lässt die Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zu.
Fundstellen
Dokument-Index HI15564861 |