Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung bei Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
- Der Streitwert im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ist regelmäßig mit 25 % des Wertes der Hauptsache anzusetzen.
- Bei der Würdigung des Tatbestandsmerkmal der „Bedeutung der Sache” ist zu berücksichtigen, dass das Aussetzungsverfahren mit seinen Hinweisen zu den rechtlichen wie auch tatsächlichen Aspekten des Streitfalles regelmäßig zu einer Prägung des weiteren Ganges des Hauptsacheverfahrens führt.
- Zudem erscheint eine einheitliche Handhabung der Streitwertbemessung auf der Grundlage der sowohl für die Verwaltungs- wie auch die Finanzgerichtsbarkeit geltenden Regelungen des GKG geboten.
Normenkette
GKG § 52 Abs. 1; FGO § 69
Streitjahr(e)
2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008
Tatbestand
Im Aussetzungsverfahren war die Schätzung von Betriebseinnahmen und Lohnaufwendungen anlässlich einer Betriebsprüfung streitig.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2011 hat der beschließende Senat den Lohnsteuerhaftungs- und -nachforderungsbescheid vom 21. Januar 2011 sowie die Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2008, die Umsatzsteuerbescheide für 2001 bis 2008, die Gewerbesteuermessbescheide für 2001 und 2003 bis 2008 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2002 vom 28. Januar bzw. 8. Februar 2011 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung ausgesetzt und damit dem Antrag der Antragsteller stattgegeben. Die Kosten des Verfahrens sind dem Antragsgegner auferlegt worden.
Im Rahmen der Kostenfestsetzung ist die Höhe des Streitwerts des Verfahrens streitig. Die Antragsteller gehen von einem Streitwert i. H. v. 361.831 EUR (1.447.325,52 EUR x 25 %) aus. Auf den Schriftsatz vom „26.04.2011” (Blatt 235 f. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Hingegen beantragt der Antragsgegner unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (Beschluss vom 4. Mai 2011 VII S 60/10, BFH/NV 2011, 7121), den Streitwert mit 10 % von 1.392.111,12 EUR festzusetzen (Schriftsatz vom 30. September 2011, Blatt 237 der Gerichtsakte). Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hält unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 25. Mai 2005 11 V 5884/03, EFG 2005, 1285) einen Streitwert i. H. v. 348.027 EUR für gerechtfertigt. Dieser Betrag berechnet sich wie folgt:
Einkommensteuer 2001 bis 2008 |
187.682,67 EUR |
Gewerbesteuer 2001 bis 2008 |
99.930,23 EUR |
Umsatzsteuer 2001 bis 2008 |
383.600,00 EUR |
Haftung |
720.897,53 EUR |
Summe |
1.392.110,30 EUR |
x 25 % |
348.027 EUR |
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 13. Oktober 2010, dem ein Streitwert von 348.027 EUR zugrunde liegt, hat der Antragsgegner am 25. Oktober 2011 Erinnerung eingelegt. Er beantragt weiterhin, der Kostenfestsetzung einen Streitwert i. H. v. 139.211 EUR – dies entspricht 10 % des Streitwerts der Hauptsache – zugrunde zu legen. Zur Begründung verweist er auf die ständige Rechtsprechung des BFH, die zuletzt mit Beschluss vom 4. Mai 2011 (VII S 60/10, BFH/NV 2011, 7121) auf Haftungsbescheide ausgedehnt worden sei. Es sei nur dann geboten, von dieser der Rechtsvereinheitlichung dienenden Rechtsprechung abzuweichen, wenn dafür zwingende Gründe sprächen. Solche seien jedoch nicht ersichtlich. Kostenrechtliche Bedeutung komme nämlich nur jenen Motiven zu, die sich mit der verfahrensrechtlichen Zielsetzung des Aussetzungsverfahrens deckten. Die „summarische Vorabentscheidung” gehöre nicht dazu. Der gesetzgeberische Zweck bestehe nicht im Abfragen einer Tendenzentscheidung des Gerichts, sondern ausschließlich in der Wiederherstellung des außer Kraft gesetzten Suspensiveffekts der Rechtsbehelfe (Niedersächsisches FG vom 10. Juli 2000 5 Ko 23/99, EFG 2000, 1202). Zudem dürfe die Nichtstatthaftigkeit eines Rechtsmittels (§ 128 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –) nicht dazu führen, dass höchstrichterliche Rechtsprechung unbeachtet bliebe. Es diene nicht dem Vertrauen in die Rechtsprechung, dass es hinsichtlich des Kostenrisikos darauf ankomme, bei welchem Senat desselben Finanzgerichts ein Fall anhängig werde.
Entscheidungsgründe
Die Streitwertfestsetzung durch das Gericht beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes – GKG –. Hiernach setzt das Prozessgericht, soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 GKG nicht ergeht, den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG). Im finanzgerichtlichen Verfahren gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (§ 63 Abs. 2 Satz 2 GKG). Vorliegend hat der Antragsgegner die Streitwertfestsetzung beantragt; zudem hält sie der Senat für angemessen.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren vor d...