Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und Einnahmen aus selbstständiger Arbeit
Leitsatz (redaktionell)
- Ob ein Chefarzt einer Klinik wahlärztliche Leistungen selbständig oder unselbständig erbringt, beurteilt sich unter Gesamtabwägung der Verhältnisse, die durch die zwischen dem Krankenhaus, dem Chefarzt und dem Patienten abgeschlossenen Verträge und deren tatsächliche Durchführung bestimmt werden.
- Es erscheint ernstlich zweifelhaft, ob im Falle eines sog. totalen Krankenhausaufnahmevertrages mit Arztzusatzvertrag die Honorareinnahmen eines angestellten Chefarztes für wahlärztliche Leistungen allein deshalb lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn sind, weil die Erbringung dieser Leistungen zu den dem Krankenhaus vertraglich geschuldeten Dienstaufgaben gehört.
Normenkette
EStG §§ 18-19, 38 Abs. 1 S. 1; LStDV § 2; FGO § 69
Streitjahr(e)
2007
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Einnahmen des Antragstellers aus dem ihm eingeräumten Liquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen Arbeitslohn (§ 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung – LStDV –) oder Einnahmen aus selbständiger Arbeit (§ 18 Einkommensteuergesetz – EStG –) sind.
Der Antragsteller ist im Anstellungsverhältnis Chefarzt einer Klinik, die zur N GmbH (Klinikum) gehört. Nach dem mit dem Klinikum am 05.11.1987 abgeschlossenen Anstellungsvertrag „obliegt” dem Antragsteller „die stationäre Behandlung aller Kranken seiner Abteilung” und „die Untersuchung und Mitbehandlung der Kranken…in anderen Abteilungen” (§ 3 Nr. 1 a und b). „Wahlärztliche Leistungen…erbringt der Chefarzt persönlich oder ein von ihm beauftragter nachgeordneter Arzt” (§ 3 Nr. 8). Nach § 5 Nr. 1 erhält der Antragsteller eine Vergütung nach dem Bundesangestelltentarifvertrag. Gemäß § 5 Nr. 2 steht ihm „das Liquidationsrecht für die rein ärztlichen Leistungen zu…bei der stationären Behandlung von Patienten ..., die eine persönliche Behandlung durch den Chefarzt ausdrücklich wünschen”, was „bei der Aufnahme mit der Krankenhausverwaltung schriftlich zu vereinbaren” ist (§ 5 Nr. 2 a). Der Antragsteller hat 20 v. H. „seiner Bruttoeinnahmen aus dem stationären Bereich” auf Grund einer Abrechnung an das Klinikum „abzuführen” (§ 6 Nrn. 1 und 4). Gemäß § 7 ist der Antragsteller berechtigt, im Krankenhaus Selbstzahlerpatienten ambulant zu behandeln und für diese Tätigkeit unmittelbar mit den Patienten abzurechnen, wobei er 20 v. H. seiner Bruttoeinnahmen an das Klinikum zu erstatten hat. Der Antragsteller ist verpflichtet, die Mitarbeiter an seinen Liquidationserlösen angemessen zu beteiligen, wobei die Verteilung „über den Chefarzt erfolgt” (§ 8).
Wegen der weiteren Regelungen wird auf den vom Antragsteller vorgelegten Anstellungsvertrag Bezug genommen.
Bei der Aufnahme in die Klinik schließen die Patienten, die eine Behandlung durch den Antragsteller wünschen, mit dem Klinikum einen „Wahlleistungsvertrag” über „Zusätzliche Krankenhausleistungen” und „Zusätzliche wahlärztliche Leistungen” (Vertrag 1) und mit dem Antragsteller einen „Vertrag über die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen” (Vertrag 2) ab, wobei der Vertrag 1 auf das „Liquidationsrecht des Wahlarztes” verweist und im Vertrag 2 darauf hingewiesen wird, dass das Honorar an den Antragsteller persönlich zu zahlen ist.
Das Klinikum teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 28.02.2007 mit, dass es für den Antragsteller für den Monat Januar 2007 keine Lohnsteuer für die Liquidationseinnahmen des Antragstellers aus dessen wahlärztlichen Leistungen im stationären Bereich einbehalten hat und dass es von der Berechtigung zur nachträglichen Einbehaltung von Lohnsteuer gemäß § 41 c Abs. 4 EStG keinen Gebrauch machen wird.
Der Antragsgegner erließ daraufhin am 22.03.2007 für Januar 2007 einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag von insgesamt 29.771,91 Euro. Über den Einspruch gegen diesen Bescheid hat der Antragsgegner noch nicht entschieden. Nachdem der Antragsgegner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, hat der Antragsteller bei Gericht mit im Wesentlichen folgender Begründung Aussetzung der Vollziehung des Nachforderungsbescheids vom 22.03.2007 beantragt:
Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, da die streitigen Honorareinnahmen Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit seien. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 05.10.2005 VI R 152/01, Bundessteuerblatt II 2006, 94, auf das sich der Antragsgegner berufe, betreffe einen anderen Sachverhalt. Während es im Urteilsfall des Bundesfinanzhofs um einen „Totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag” bzw. einen „Einheitlichen Wahlbehandlungsvertrag ohne Arztzusatzvertrag” gehe, bei dem die Klinik den Chefarzt in der Weise beteilige, dass sie die maßgebenden Behandlungsverträge abschließe, die Privatliquidation durchführe, die Rechnungen für die Chefarztbehandlung ausstelle und vereinnahme sowie dem Chefarzt den Honorarbetrag nach Abzug von Abgaben und Kosten auszahle, hand...