Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Verspätungszuschlags trotz Vollverzinsung
Leitsatz (redaktionell)
- An der Verfassungsmäßigkeit des Verspätungszuschlags ändert die Einführung der Vollverzinsung gemäß § 233a AO nichts.
- Allenfalls ist darauf zu achten, dass ein bereits durch § 233a AO abgeschöpfter Zinsvorteil bei der Bemessung der Höhe eines Verspätungszuschlags nicht nochmals berücksichtigt wird.
Normenkette
AO §§ 5, 152, 233a
Streitjahr(e)
1996, 1997, 1998
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer.
Der Kläger, der als Syndikus nichtselbständig und als Rechtsanwalt selbständig tätig ist, wird mit seiner Ehefrau, der Klägerin, einer Lehrerin, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Da die Kläger wie für das Vorjahr auch für das Streitjahr 1996 trotz Mahnung keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, schätzte der Beklagte – das Finanzamt – die Besteuerungsgrundlagen (§ 162 Abs. 1 Abgabenordnung 1977 – AO –) und setzte die Einkommensteuer 1996 auf 112.182 DM (Nachzahlungsbetrag von 56.410 DM) und einen Verspätungszuschlag hierzu von 7.000 DM fest (Bescheid vom 4. August 1998). Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch. Sie trugen vor, die Schätzung sei ohne Grundlage, deutlich überhöht und willkürlich. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags sei nach Einführung der Vollverzinsung unzulässig, im Übrigen sei der festgesetzte Zuschlag der Höhe nach völlig unangemessen. Im August 1999 entschied das Finanzamt über den Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung; hiergegen erhoben die Kläger Klage (Az.: 11 K 5233/99 E). Eine Entscheidung über den Einspruch gegen den Verspätungszuschlag stellte das Finanzamt zurück.
Die Kläger gaben im September 1999 im Rahmen des gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 gerichteten Klageverfahrens ihre Einkommensteuererklärung für 1996 ab. Das Finanzamt änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1996 und setzte die Einkommensteuer auf 96.492 DM (bei anzurechnenden Lohnsteuerbeträgen von insgesamt 63.329 DM) herab; den festgesetzten Verspätungszuschlag ließ das Finanzamt zunächst bestehen (Einkommensteuer-Änderungsbescheid vom 4. Februar 2000). Die Kläger erklärten daraufhin den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Klageverfahrens (§ 68 FGO a. F.). Zugleich haben sie ihre Klage auf den beibehaltenen Verspätungszuschlag erweitert.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2001 setzte das Finanzamt den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1996 auf 2.000 DM herab und wies anschließend den aufrechterhaltenen Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 AO für die Festsetzung des Verspätungszuschlags lägen vor. Die Kläger hätten ihre Einkommensteuererklärung, die bis Ende Mai 1997 einzureichen gewesen sei, trotz mehrer Aufforderungen zunächst nicht abgegeben. In der Folgezeit habe das Finanzamt die Kläger mehrmals an die Abgabe der Erklärung erinnert, unter letztmaliger Fristsetzung zum 27.12.1997. Demgegenüber sei die Erklärung erst mehr als 20 Monate später eingereicht worden. Gründe für eine Entschuldbarkeit der Säumnis seien nicht erkennbar. Angesichts des bereits in den Vorjahren wiederholt unpünktlichen Erklärungsverhaltens sei die Festsetzung eines Verspätungszuschlags geboten. Der Verspätungszuschlag von 2.000 DM sei auch der Höhe nach (gemessen an den Kriterien des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO) gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall habe allerdings der Aspekt des Vorteilsausgleichs wegen der Vollverzinsung keine Rolle gespielt. Vielmehr sei für die Bemessung des Verspätungszuschlags maßgeblich gewesen, dass die Fristüberschreitung erheblich sei und hierdurch die Erledigung der Veranlagungsarbeit deutlich gestört werde und dass die Kläger ihrer Erklärungspflicht schon in früheren Jahren nicht fristgerecht nachgekommen seien. Das Verschulden der Kläger sei unter den gegebenen Umständen als erheblich anzusehen. Es sei angesichts dessen ein Zuschlag festzusetzen gewesen, der unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kläger für diese zwar keine wesentlich Belastung, jedoch einen Anstoß i. S. einer „Erinnerung” darstelle, ihrer Steuererklärungspflicht in Zukunft pünktlich nachzukommen. Der Zuschlag liege im Übrigen mit ca. 2 % der festgesetzten Steuer im unteren Bereich des bis zu 10 % reichenden Ermessensrahmens.
Die Kläger haben ihre Klage gegen den geänderten Verspätungszuschlag in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufrechterhalten. Der 11. Senat hat die Klage wegen Verspätungszuschlags abgetrennt und zuständigkeitshalber an den 18. Senat abgegeben. Der Senat hat das nunmehr unter dem Aktenzeichen 18 K 9060/99 AO geführte Verfahren sodann dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
Die Kläger sind der Ansicht, nach Einführung der Vollverzinsungsregelung (§ 233 a AO) sei für Zinsersatzregelungen wie „Verspätungszuschläge” und „Säumn...