Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Erfassbarkeit nacherklärter Spekulationsgewinne
Leitsatz (redaktionell)
- Die Versteuerung von Gewinnen aus Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren war in den Jahren 1995 und 1996 ungeachtet des bestehenden Vollzugsdefizits nicht verfassungswidrig, da die dem Gesetzgeber zugebilligte Übergangsfrist diese Jahre noch umfasst.
- Eine Nacherklärung gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO innerhalb der wegen Steuerhinterziehung verlängerten Festsetzungsfrist löst die Verjährungshemmung nach § 171 Abs. 9 AO aus. Das nicht vorsätzliche Handeln des anzeigenden Rechtsnachfolgers des Täters (zusammenveranlagte Ehefrau) während des Laufs der regelmäßigen, vierjährigen Festsetzungsfrist ist hierfür unerheblich.
Normenkette
EStG 1990 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b); AO § 153 Abs. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 Sätze 2-3, § 171 Abs. 9, § 370 Abs. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1992, 1993, 1994, 1995, 1996
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob nacherklärte Spekulationsgewinne für die Jahre 1992 bis 1996 steuerlich zu erfassen sind.
Die Klägerin ist in den Streitjahren 1992 bis 1996 mit ihrem am 28. Dezember 2003 verstorbenen Ehemann zusammen veranlagt worden. Die Klägerin und ihr verstorbener Ehegatte erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus diversen Beteiligungen, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielten sie aus Sparguthaben, Beteiligungen und in- und ausländischen Aktien.
Am 13. September 1991 beauftragte die Klägerin die A-Bank, die bei der A-Bank auf dem Konto xxx xxxxxx 01, Depotnummer xxx xxxxxx 02 verbuchten Vermögenswerte für sie zu verwalten. Nach dem Vermögensverwaltungsauftrag, den die Klägerin persönlich unterzeichnet hat, ist die A-Bank berechtigt, die Vermögenswerte gemäß den gegebenenfalls mit der A-Bank vereinbarten Anlagerichtlinien nach ihrem Ermessen ohne vorherige Einholung der Weisungen der Klägerin zu verwalten. Die A-Bank ist berechtigt, in jeder Weise über die Vermögenswerte zu verfügen, An- und Verkäufe vorzunehmen, Wertpapiere zu konvertieren oder umzutauschen, Bezugsrechte auszuüben, zu kaufen oder zu verkaufen, Devisen und Gold anzuschaffen oder zu veräußern sowie alle übrigen Maßnahmen zu treffen, die der A-Bank bei der Verwaltung der Vermögenswerte zweckmäßig erscheinen (siehe Ziffer 1 Buchstabe a des Vermögensverwaltungsauftrages vom 13. September 1991). Unter Ziffer 1 Buchstabe b des Vermögensverwaltungsauftrages wird die A-Bank außerdem berechtigt, Börsentermingeschäfte und solche Geschäfte, die gleichen wirtschaftlichen Zwecken dienen, auch wenn sie nicht auf Erfüllung durch Lieferung ausgerichtet sind, zu tätigen, insbesondere Optionsgeschäfte und andere Börsentermingeschäfte in Wertpapieren, Devisen, Edelmetallen, Indizes und synthetischen Gegenständen, und zwar an in- und ausländischen Terminbörsen oder außerbörslichen Terminmärkten. In einer Fußnote zu dem Vermögensverwaltungsauftrag heißt es zu Ziffer 1 Buchstabe b des Vermögensverwaltungsauftrags, dass dieser Absatz ganz – aber nicht teilweise – gestrichen werden kann. Die A-Bank wurde außerdem in dem Vermögensverwaltungsauftrag verpflichtet, jeweils zum 31. Dezember eines jeden Jahres einen Bericht über Vermögensverwaltung zu erstatten und eine Abrechnung zu erteilen.
In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1992 bis 1996 erklärte die Klägerin die Einnahmen aus Kapitalvermögen aus diesem Depot in Höhe der in den Erträgnisaufstellungen über Kapitalerträge ausgewiesenen Beträge. Die Erträgnisaufstellungen enthielten keine Angaben zu Spekulationsgewinnen. Lediglich in einer Anlage zur Erträgnisaufstellung für das Jahr 1996 wies die A-Bank darauf hin, dass die in der Erträgnisaufstellung enthaltenen Erträge keine Spekulationsgewinne und -verluste enthalten.
Die Klägerin und ihr verstorbener Ehegatte haben die Einkommensteuererklärungen zu den folgenden Zeitpunkten beim Beklagten abgegeben:
1992 |
18.11.1993 |
1993 |
03.02.1995 |
1994 |
18.12.1995 |
1995 |
30.09.1996 |
1996 |
23.12.1997 |
Mit Schreiben vom 21. März 2003 und 29. April 2003 erklärte die Klägerin die Spekulationsgewinne für die Jahre 1997 bis 2001 nach. Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal forderte die Kläger darauf hin mit Schreiben vom 4. August 2003 auf, Unterlagen einzureichen, an Hand derer eine Prüfung, ob Spekulationsgewinne in den Jahren 1992 bis 1996 entstanden sind, vorgenommen werden könne. Die Klägerin erklärte darauf hin mit Schreiben vom 31. Oktober 2003 folgende Spekulationsgewinne für die Streitjahre:
1992 |
9.987 DM |
1993 |
18.099 DM |
1994 |
3.013 DM |
1995 |
7.808 DM |
1996 |
21.020 DM |
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erläuterte zu den erklärten Einkünften, die Einkünfte seien von der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann jeweils manuell au...