Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kindergeld eines nicht-erwerbstätigen Ausländers bei Duldung (keine Analogie bei Sozialhilfebezug)
Leitsatz (redaktionell)
- Bei einer Duldung nach § 55 AuslG aufgrund zeitweiliger Aussetzung der Abschiebung eines Asylbewerbers handelt es sich nicht um einen Titel, der einer in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EStG genannten Aufenthaltserlaubnis vergleichbar ist und daher unter weiteren Voraussetzungen einen Anspruch auf Kindergeld begründen könnte.
- Ausländer, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, sondern ausschließlich Sozialhilfe bzw. Leistungen nach dem AsylbLG beziehen, können weder im Wege der Auslegung noch der Rechtsfortbildung in den Kreis der Anspruchsberechtigten gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG einbezogen werden.
Normenkette
EStG § 52 Abs. 61a S. 2, § 62 Abs. 2; AufenthaltG § 25 Abs. 5, § 60a; AuslG § 30 Abs. 3, § 55 Abs. 2
Streitjahr(e)
2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006
Tatbestand
Strittig ist, ob der Kläger zum Kreis der nach § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kindergeldberechtigten Personen gehört.
Der Kläger reiste am 17. August 1987 mit einem Pass, nach dem er jordanischer Staatsangehöriger ist, mit seiner Familie in die Bundesrepublik ein und beantragte, ihm Asyl zu gewähren (Ausländerakte Bd. I Bl. 3, 10, 4, 34 ff.). Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte den Antrag durch Bescheid vom 29. Juni 1989 ab (Ausländerakte Bd. I Bl. 53 ff.). Die Ausländerbehörde der Stadt „A” forderte den Kläger durch Ordnungsverfügung vom 5. Oktober 1989 auf, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Unanfechtbarkeit des Ablehnungsbescheides zu verlassen und drohte ihm für den Fall, dass er dieser Ausreiseaufforderung nicht nachkomme, die zwangsweise Abschiebung in sein Heimatland an (Ausländerakte Bd. I Bl. 74 ff.). Die gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht (VG) „A” durch Urteil vom 9. Januar 1991 als unbegründet zurück (Ausländerakte Bd. I Bl. 132 ff.). Die gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegte Beschwerde verwarf das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 17. Oktober 1991 als unzulässig (Ausländerakte Bd. I Bl. 147 ff.). Die Ehefrau des Klägers, die ebenfalls gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Asyl und gegen die an sie gerichtete Ausreiseaufforderung geklagt hatte, nahm ihre Klage zurück, nachdem die Ausländerbehörde ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung eine Änderung der Ausreiseaufforderung mit der Maßgabe, dass die Ausreisefrist bis zum 29. Mai 1992 verlängert werde, zugesagt hatte (Ausländerakte Bd. I Bl. 86 f.). Der Kläger bat zunächst mit Schreiben vom 7. Mai 1992 darum, ihm ebenfalls eine Ausreisefrist bis zum 29. Mai 1992 zu gewähren (Ausländerakte Bd. I Bl. 90). Bei einer persönlichen Vorsprache am 12. Mai 1992 bat er darum, die Ausreisefrist bis Mitte Juni 1992 zu verlängern, damit seine Kinder das Schuljahr bis zum Ende besuchen könnten. Nachdem die Ausländerbehörde dies abgelehnt hatte, erklärte er sich bereit, das Bundesgebiet bis zum 29. Mai 1992 zu verlassen. Die Ausländerbehörde händigte ihm daraufhin seinen Reisepass aus (Ausländerakte Bd. I Bl. 94 R).
Der Kläger, seine Ehefrau und seine Kinder stellten am 26. Mai 1992 erneut Asylanträge (Ausländerakte Bd. I Bl. 102 ff.), die das Bundesamt durch Bescheid vom 30. November 1993 erneut ablehnte. Es vermochte auch keine Abschiebungsschutzgründe (§ 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG -) oder Abschiebungshindernisse (§ 53 Abs. 6 AuslG) festzustellen (Ausländerakte Bd. II Bl. 245). Die vom Kläger dagegen erhobene Klage wies das VG „A” durch Gerichtsbescheid vom 25. August 1994 als offensichtlich unbegründet ab (Ausländerakte Bd. II Bl. 296 ff.). Der Gerichtsbescheid wurde rechtskräftig (Ausländerakte Bd. II Bl. 223). Eine auf die Erteilung einer asylverfahrensunabhängigen Aufenthaltsgenehmigung gerichtete Petition blieb erfolglos. Auch der Petitionsausschuss hielt den Kläger für verpflichtet, das Bundesgebiet zu verlassen, sobald Passersatzpapiere vorlägen (Ausländerakte Bd. II Bl. 323). Mangels freiwilliger Ausreise oder Rückgabe seines Reisepasses leitete die Ausländerbehörde im Oktober 1997 ein Passbeschaffungsverfahren ein, das im Dezember 2000 eingestellt wurde, nachdem die Palästinensische Generaldirektion sich geweigert hatte, dem Kläger ein Reisedokument auszustellen, und das Königreich Jordanien die Ausstellung eines entsprechenden Dokuments von der Vorlage einer Heiratsurkunde und von Geburtsurkunden der nicht in Deutschland geborenen Kinder des Klägers abhängig gemacht hatte, zu deren Vorlage sich die Ausländerbehörde außerstande sah (Ausländerakte Bd. III Bl. 447, 469, 481, 507).
Die Ausländerbehörde erteilte dem Kläger am 8. September 1987 eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 20 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG), die wiederholt - zuletzt bis zum 13. Oktober 1994 - verlängert wurde (Ausländerakte Bd. I...