Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliche Bedeutung von Mitteilungen im Erläuterungsteil des Einkommensteuerbescheides; hier: Löschung der Steuerakte, Befreiung des Steuerpflichtigen von der Abgabe der Steuererklärungen ab einem bestimmten Zeitpunkt
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Hinweismitteilung im Erläuterungsteil des Einkommensteuerbescheides für ein Vorjahr, dass die Steuerakte gelöscht werde und die Steuerpflichtigen ab einem bestimmten Zeitpunkt von der Abgabe der Steuererklärungen befreit seien, stellt weder einen Freistellungsbescheid noch eine verbindliche Zusage dar.
- Ebenso wenig kann der Steueranspruch durch eine solche Mitteilung für nachfolgende Jahre verwirkt werden.
- Eine verbindliche Zusage tritt dann außer Kraft, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Entscheidung beruhte, geändert werden.
- Ein Mitarbeiter der Servicestelle des Finanzamts kann mangels Zuständigkeit für die Veranlagung keine nach Treu und Glauben bindende Auskunft erteilen.
- Die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO normierte Anlaufhemmung ist allein davon abhängig, ob der Steuerpflichtige aufgrund gesetzlicher Vorschrift zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist, und wird nicht vom Verhalten der Finanzbehörde beeinflusst.
Normenkette
AO § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, § 207 Abs. 1; EStG § 25 Abs. 3, § 26 Abs. 1; EStDV § 56 Abs. 1 Nr. 1a
Streitjahr(e)
2005, 2006, 2007, 2008
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger, geb. 1935 und 1938, sind Rentner. Ihr Einkommensteuerbescheid 1997 enthielt im Erläuterungsteil den Hinweis: „Besonders wichtig: Die Steuerakte wurde zum 1. 1. 1998 gelöscht. Ab diesem Zeitpunkt sind Sie von der Abgabe der Steuererklärungen befreit”. In der Folgezeit gaben die Kläger keine Einkommensteuererklärungen ab.
Die Kläger wurden mit einer automatisierten Anfrage des Finanzamtes zur Auswertung der Daten der Rentenbezugsmitteilungen nach § 22 a EStG vom 9. 9. 2011 und mit Schreiben vom 19. 10. 2011 zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 – 2010 aufgefordert. Daraufhin teilten die Kläger mit, durch den Steuerbescheid 1997 vom 13. 2. 1998 seien sie von der Einkommensteuererklärungsabgabe befreit worden. Eine zeitliche Begrenzung sehe der Bescheid nicht vor.
Die Einkommensteuererklärung 2010 wurde von den Klägern am 28. 11. 2011 abgegeben, im Einkommensteuerbescheid vom 15. 2. 2012 wurde eine Steuer von 256 EUR festgesetzt. Für 2005 – 2009 ergingen am 15. 2. 2012 Schätzungsbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung. Am 2. 3. 2012 legten die Kläger Einspruch gegen die Bescheide 2005-2010 ein, die Erklärungen 2005 – 2009 wurden am 10. 4. 2012 eingereicht. Mit dem Einspruch trugen die Kläger vor, durch den Bescheid vom 13. 2. 1998 sei eine Nichtveranlagungsverfügung ergangen, die ihnen bekannt gegeben und dadurch zu einem Freistellungsbescheid geworden sei. Diese gelte so lange, bis das Finanzamt zur Abgabe von Steuererklärungen auffordere. Eine solche Aufforderung sei erst in 2011 für das Jahr 2010 erfolgt. Die Erklärung 2010 sei eingereicht worden. Für 2005 bis 2009 habe auch deshalb keine Verpflichtung zur Erklärungsabgabe bestanden, da der Kläger mehrfach bei der Servicestelle des Finanzamtes nachgefragt habe, ob der Freistellungsbescheid von der Erhebung der Einkommensteuer befreie. Ihm sei am 9. 4. 2008 von der Servicestelle mitgeteilt worden, dass die Freistellung auf Dauer Gültigkeit habe, da man leider vergessen habe, eine entsprechende Änderung bezüglich eventueller Einkommens- oder gesetzlicher Änderungen zu machen. Eine schriftliche Benachrichtigung sei nicht erfolgt, da die Akte gelöscht sei. Es bestehe ein Vertrauenstatbestand, so dass eine rückwirkende Erhebung der Steuer nicht möglich sei.
Am 23. 4. 2012 ergingen erklärungsgemäß geänderte Bescheide für 2005 – 2009. Die Einkommensteuer wurde für 2005 auf 184 EUR, für 2006 auf 214 EUR, für 2007 auf 240 EUR, für 2008 auf 197 EUR und für 2009 auf 221 EUR festgesetzt.
Den Einspruch wies der Beklagte ebenfalls am 23. 4. 2012 zurück. Zur Begründung führte er aus, nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung führe der Hinweis im Steuerbescheid 1997 nicht zu einer Bindungswirkung für Folgejahre. Es bestehe auch kein Vertrauensschutz, da der Gesetzgeber durch das Alterseinkünftegesetz ab 2005 eine neue Rechtslage geschaffen habe. Aber auch ohne Gesetzesänderung hätte es nach 1997 zu einer Einkommensteuerpflicht bei höheren als den bisherigen Einkünften kommen können. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen scheide aufgrund der neuen Gesetzeslage aus.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger tragen vor:
Sie hätten sich aufgrund des Hinweises eines Nachbarn, dass Renteneinkünfte seit 2005 steuerpflichtig seien, noch zwei Mal zum Finanzamt begeben, auf dem Steuerbescheid 1997 sei ein entsprechender handschriftlicher Vermerk vom 9. 4. 2008. Durch die Servicestelle des FA sei zugesichert worden, auch anlässlich der Änderung ...