Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Beurteilung einer Tätigkeit als „nebenberuflich” i. S. d. § 3 Nr. 26 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Hauptberuflich für die Betreuung von Kindern an einer offenen Ganztagsschule beschäftigte Arbeitnehmer, die zusätzlich zu der nach dem Anstellungsvertrag geschuldeten „normalen” Betreuung der Kinder aufgrund einer gesonderten Vereinbarung mit demselben Arbeitgeber für besondere Projekte und Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag eingesetzt werden, üben insoweit keine die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 26 EStG ausschließende gleichartige Tätigkeit aus.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 26
Streitjahr(e)
2006, 2007, 2008
Tatbestand
Die Klägerin ist eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreite Körperschaft. Ihr Zweck ist der Betrieb und die Unterstützung von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit dem Ziel der Betreuung, Erziehung, Bildung und Freizeitgestaltung. Zur Erfüllung dieses Zwecks hat sie die Betreuung von Kindern im Offenen Ganztag an mehreren Schulen im Stadtgebiet Z-Stadt übernommen. Die Klägerin beschäftigt 138 Arbeitnehmer, davon 110 Aushilfskräfte. Die Arbeitnehmer wurden aufgrund ihres Arbeitsvertrages als pädagogische Mitarbeiter eingestellt, deren Tätigkeit in der Beaufsichtigung und Betreuung der Kinder bei den Hausaufgaben, der Einnahme der Mahlzeiten und beim Spielen bestand. Neben der Betreuung bietet die Klägerin zusätzliche Angebote am Nachmittag an (Projekte und Arbeitsgemeinschaften, wie z.B. Fußball, Basketball, Tanzen, Schwimmen, Malwerkstatt, Papierwerkstatt, Lesenest). Sofern ein Mitarbeiter in die besonderen Nachmittagsangebote eingebunden werden sollte, wurde eine zusätzliche Vereinbarung über die Erbringung der genau umschriebenen Nebentätigkeit (Thema des Projektes oder der Arbeitsgemeinschaft) geschlossen. Der Arbeitsvertrag betreffend die Betreuungstätigkeit umfasst eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit von 30 Wochenstunden und gewährt einen bezahlten Jahresurlaub von 29 Arbeitstagen. Die Vereinbarung über die „Nebentätigkeit gem. § 3 Nr. 26 EStG” beinhaltet die Zahlung einer Aufwandsentschädigung für die Durchführung bedarfsorientierter Angebote zu einem bestimmten Thema. Die Projekte wurden laut dem Plan vom 11. 8. 2008 in der Zeit von 14 Uhr bis 15.30 Uhr angeboten (ca. 3 verschiedene pro Nachmittag); hierfür ist eine besondere Anmeldung der Kinder erforderlich. Ein Mitarbeiter betreute maximal zwei Projekte wöchentlich, wobei der Arbeitsumfang mit Vorbereitung ca. 4 Stunden pro Woche betrug. Die Vergütung hierfür betrug 10 EUR/Stunde.
Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der Klägerin (Bericht vom 25. 1. 2010) stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin an verschiedene Arbeitnehmer steuerfreie Aufwandsentschädigungen (Betreuungspauschalen) nach § 3 Nr. 26 EStG für die Betreuung von Schulkindern zahlte.
Der Prüfer führte hierzu in Tz. 1 des Berichts aus, dass verschiedene Vollzeitkräfte während ihrer Haupttätigkeit für die Klägerin nebenberuflich tätig waren. Die Steuerfreiheit von 2.100 EUR setze voraus, dass die begünstigte Tätigkeit nebenberuflich ausgeübt werde. Dies sei der Fall, wenn sie bezogen auf das Kalenderjahr nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs in Anspruch nehme. Eine Tätigkeit werde nicht nebenberuflich ausgeübt, wenn sie als Teil der Haupttätigkeit anzusehen sei. Dies sei auch bei formaler Trennung von haupt- und nebenberuflicher Tätigkeit für denselben Arbeitgeber anzunehmen, wenn beide Tätigkeiten gleichartig seien und die Nebentätigkeit unter ähnlichen organisatorischen Bedingungen wie die Haupttätigkeit ausgeübt werde oder der Arbeitnehmer mit der Nebentätigkeit eine ihm aus seinem Dienstverhältnis faktisch oder rechtlich obliegende Nebenpflicht erfülle. Die an die Vollzeitkräfte gezahlten Aufwandsentschädigungen seien daher steuerpflichtiger Arbeitslohn. Für 2008 waren 31 Arbeitnehmer, für 2007 18 und für 2009 (1-8) 25 Arbeitnehmer betroffen.
Die Klägerin erklärte sich mit der Übernahme der Mehrsteuern einverstanden und beantragte eine Pauschalierung nach § 40 EStG.
Die Lohnsteuer wurde auf den Antrag der Arbeitgeberin mit einem Pauschalsteuersatz erhoben, § 40 Abs. 1 EStG. Die Nachforderung erfolgte mit Nettosteuersätzen entsprechend der Verhältnisse des Zuflussjahres.
Der Beklagte erließ am 25. 1. 2010 einen Lohnsteuernachforderungsbescheid gegen die Klägerin für den Zeitraum 1. 1. 2006 bis 31. 8. 2009 über 28.841,82 EUR Lohnsteuer zuz. KiSt und Soli, insgesamt 32.447,04 EUR. Auf S. 2 des Bescheids war angekreuzt „Haftungsbescheid mit Leistungsgebot: Sie werden als Haftender an Stelle des Arbeitnehmers in Anspruch genommen ...”. Auf den als Anlage beigefügten Prüfungsbericht wurde verwiesen.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Der Beklagte wies den Einspruch am 8. 11. 2010 zurück. Er führte aus, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin als Arbeitgeberin den von ihren Arbeitnehmern zusätzlich angebotenen Arbeitseinsatz habe erwarten können. Die Tätigkeiten seien...