Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme des Ehegatten an der Steuerhinterziehung des anderen Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine Beihilfe oder Mittäterschaft eines Ehegatten zur Steuerhinterziehung des anderenEhegatten liegt nicht schon dann vor, wenn ein Ehegatte die gemeinsame Steuererklärungmitunterzeichnet, obwohl er weiß, daß der andere Ehegatte unrichtige Angaben zu seinenEinkünften gemacht hat.
2) Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn sich das Verhalten des mitunterzeichnendenEhegatten nicht in der reinen Unterschriftsleistung erschöpft, sondern darüber hinaussich das Verhalten als psychische Beihilfe in Form einer Bestärkung des Tatentschlussesoder der Mitwirkung an Vorbereitungshandlungen darstellt, eine Verabredung und eineinverständliches Zusammenwirken der Eheleute vorliegt oder der Ehegatte ein massivesEigeninteresse am Erfolg der Steuerhinterziehung hat.
Normenkette
AO 1977 §§ 71, 191, 370; StGB §§ 25-26
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides gemäß § 191 AO in Verbindung mit§ 71 AO, mit dem die Klägerin für Einkommensteuerschulden ihres Ehemannes in Haftunggenommen wurde.
Der Ehemann der Klägerin war beim BfV beschäftigt. Im Jahre 1982 wurde er vom damaligenMinisterium für Staatssicherheit der DDR (MfS) für eine geheimdienstliche Tätigkeitangeworben. Hierfür erhielt er bis zu seiner Verhaftung Agentenlohn. Dieser Lohn wurdeteilweise in monatlichen Beträgen ausgezahlt, die von 1982 bis 1988 … DM, ab 1989 … DMpro Monat betrugen. Darüber hinaus erhielt er Sonder- sowie Spesenzahlungen. Am … wurdeder Ehemann durch das Oberlandesgericht Düsseldorf zu einer Freiheitsstrafe von … Jahrenwegen Landesverrats in Tateinheit mit Bestechlichkeit verurteilt. Das Gericht ging u. a. davonaus, daß der Ehemann insgesamt … als Agentenlohn erhalten habe.
Die Klägerin war bis 1982/83 als Verkäuferin aushilfsweise tätig und erzielte als solcheEinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Anschließend war sie nicht mehr berufstätig. Sie hatmit ihrem Ehemann …. Söhne. In den Jahren 1969 bis 1971 erstellten die Eheleute in P. einEinfamilienhaus, das sie selbst bewohnten. Dessen Herstellungskosten betrugen … DM – ohneden Aufwand für Grund und Boden –. Das Gebäude war im Jahr 1985/86 im wesentlichenabbezahlt. Im Jahr 1985 erwarben die Eheleute in A.. (Spanien) eine Ferienwohnung zu einemKaufpreis von … Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Ferienwohnung wurde das Haus inP. mit … belastet.
Die gemeinsamen Steuererklärungen der Eheleute für die Jahre 1982 bis 1989, mit denen dieZusammenveranlagung begehrt wurde, enthielten keine Angaben zu dem Agentenlohn.
Der Beklagte erließ gegen die Eheleute berichtigte Einkommensteuerbescheide für die Jahre1982 bis 1989, in denen er die Einkünfte des Ehemannes aus der Agententätigkeit als solche imSinne des § 22 EStG versteuerte. Daraufhin beantragte die Klägerin die Aufteilung derSteuerschulden, die der Beklagte antragsgemäß vornahm. Gleichzeitig erließ er am 05.05.1992einen Haftungsbescheid gemäß §§ 191, 71 AO, in dem er die Klägerin für die aus den nichterklärten Einkünften resultierenden Einkommensteuerschulden der Jahre 1982 bis 1989 in Höhevon insgesamt … in Haftung nahm. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem, nicht begründetemEinspruch die vorliegende Klage.
Die Klägerin trägt im wesentlichen folgendes vor: Sie sei über den Umfang der Agententätigkeitihres Ehemannes nicht informiert und lediglich insoweit eingeweiht gewesen, daß sie geahnthabe, daß ihr Ehemann eine geheimdienstliche Tätigkeit ausgeübt habe. Sie habe auch nichtgewußt, daß er Zahlungen erhalten habe und keinerlei Kenntnisse über Art und Umfang dieserNebeneinkünfte gehabt. In den Streitjahren habe sie kein eigenes Einkommen erzielt. Aus derbloßen Tatsache, daß sie um die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten ihres Ehemannes gewußthabe, könne keine steuerliche Haftung hergeleitet werden. Vielmehr müsse sie selbst an der vomEhemann begangenen Tat im Sinne des § 71 AO beteiligt gewesen sein. Hierfür gebe es aberkeinen hinreichenden Anhaltspunkt, zumal sie von den Einkünften ihres Ehemannes aus dernachrichtendienstlichen Tätigkeit nichts gewußt habe. Der Ehemann habe weder imErmittlungsverfahren noch im Hauptverfahren vor dem OLG Düsseldorf etwas Gegenteiligesausgesagt. Vielmehr habe er immer wieder betont, er allein habe sich ausschließlich um diefinanziellen Belange der Familie gekümmert und seine Frau bewußt über Art und Umfang derVergütung vom MfS nicht informiert, um sie nicht mit zusätzlichem Wissen zu belasten. DiesesVorgehen sei im übrigen schon aus Gründen der Konspiration angezeigt und entscheidendeGrundlage jeder Zusammenarbeit mit dem MfS gewesen. Dies könne der Ehemann als Zeugebestätigen. Ferner könnten sowohl Herr W sowie Herr N bestätigen, daß von seiten der HVAdarauf Wert gelegt worden sei, daß die Klägerin über Art und Umfang der Vergütung nicht zuinformieren sei und der Ehemann dieser Pflicht zum konspirativen Verh...