Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändung einer nicht existenten Forderung und Rechtsfolge irrtümlicher Zahlung des Drittschuldners
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Pfändung einer nicht existenten Forderung geht ins Leere; sie ist grundsätzlich nichtig und wirkungslos.
2) Durch die Zahlung des Drittschuldners in der irrtümlichen Annahme, die gepfändete Forderung gegen den Schuldner bestehe, tritt keine Erfüllung des Steueranspruchs ein.
Normenkette
AO 1977 §§ 309, 314; ZPO § 227 Abs. 1 S. 1; FGO § 155; AO 1977 § 224
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. Die Klägerin ist eine 1985 gegründete GmbH. Bis zum 11.03.2002 war Herr G T als alleiniger Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. Ab diesem Zeitpunkt wurde dessen Ehefrau M T als alleinige Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen.
Der Beklagte betreibt gegen die Klägerin zumindest seit Oktober 2002 wegen verschiedener Steuerschulden, u.a. Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer, und steuerlicher Nebenabgaben die Zwangsvollstreckung. Am 31.03.2003 erschien der Vollziehungsbeamte des Beklagten in den Räumen der Klägerin, um die Möglichkeiten für eine Mobiliarvollstreckung festzustellen und ggf. eine Mobiliarpfändung durchzuführen. Zu diesem Zweck befragte er den in den Geschäftsräumen anwesenden Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin, Herrn G T. Der Inhalt der Befragung ist in der Niederschrift vom 31.03.2003 und deren Anlagen festgehalten. Eine Pfändung ist nicht erfolgt (sog. fruchtlose Pfändung).
Weiter brachte der Beklagte verschiedene Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegen Drittschuldner aus, nämlich unter anderem gegen die W-Bank, jeweils gesondert gegen die Eheleute T, gegen Herrn Dr. X sowie gegen die D-Bank. Die Beträge, derentwegen die Vollstreckung betrieben wurde, betrugen im November 2002 zunächst 160.000,– EUR und reduzierten sich im Laufe der Zeit. Mit der an Dr. X gerichteten Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 31.07.2003 wurden noch Forderungen von 105.814,09 EUR geltend gemacht.
Soweit Pfändungs- und Einziehungsverfügungen reduziert wurden, teilte der Beklagte dies der Klägerin und den Drittschuldnern mit. Die jeweiligen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen enthalten keine Rechtsbehelfsbelehrung. Entsprechendes gilt für die Mitteilungen an die Klägerin über diese Verfügungen.
Am 29.01.2003 erging eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen die D-Bank über 129.295,85 EUR. Die Verfügung erstreckte sich auf alle künftigen und gegenwärtigen Ansprüche, insbesondere aus dem Kontokorrentkonto Nr. …, und zwar auf Zahlung des gegenwärtigen Überschusses und aller künftigen Überschüsse, Tagessalden aufgrund des Girovertrags, Auszahlungen, Gutschriften und Überweisungen, Spareinlagen und Wertpapiere. Mit Schreiben vom 14.02.2003 teilte die D-Bank mit, dass die gepfändete Forderung in Höhe von 335,60 EUR bestände. Am 18.02.2003 leistete sie eine Zahlung von 330,00 EUR an den Beklagten. Der der Pfändung zugrunde liegende Betrag wurde mit den Verfügungen vom 16.04.2003 und 23.04.2003 auf zuletzt 100.424,97 EUR reduziert. Am 16.05.2003 überwies die D-Bank diesen Betrag an den Beklagten. In einem Schreiben vom gleichen Tage teilte sie mit, dass sie den Betrag überwiesen habe. Sie gehe davon aus, dass die Zwangsvollstreckungsmaßnahme damit erledigt sei. Mit Schreiben vom 27.05.2003 teilte die Bank dem Beklagten mit, dass irrtümlicherweise ein Zahlungseingang über 101.327,05 EUR, der von einer ungarischen Bank für einen Kunden der Dortmunder Filiale bestimmt gewesen sei, der Klägerin gutgeschrieben worden sei. Der Dortmunder Kunde habe in der Filiale Dortmund die gleiche Kontonummer wie die Klägerin in C. Die Fehlbuchung habe zur Erledigung der Pfändung geführt. Es werde deshalb gebeten, den überwiesenen Betrag zurück zu überweisen. Auf Aufforderung durch den Beklagte legte die D-Bank sodann eine Kopie der betreffenden Anweisung (Telefax vom 12.06.2003) vor, die als Zahlungsempfänger ein Unternehmen in N ausweist. Der … T1 der D-Bank erläuterte den Zahlungsvorgang an Amtsstelle (Aktenvermerk v. 23.06.2003). Der Beklagte überwies daraufhin den Betrag von 100.429,97 EUR an die D-Bank zurück. Mit Schreiben vom 11.11.2003 teilte die D-Bank mit, dass die Geschäfts- und Kontoverbindung zur Erledigung gekommen sei und keine weiteren Werte für die Klägerin vorhanden seien.
Mit dem Einspruch „gegen die Vollstreckung” beantragte die Klägerin unter anderem, die Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben und die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Zur Begründung führte sie aus, der Beklagte sei für die Zwangsvollstreckung unzuständig. Die Geschäftsleitung der Klägerin befinde sich in F. Dort seien die Büroräume der Gesellschaft und würden die Belange der Gesellschaft durch die Geschäftsführung wahrgenommen. Auch der Sitz sei dorthin verlegt. Die Steuerforderungen seien nicht hinreichend konkretisiert. Eine beantragte Abrechnung stehe aus. Die Vollst...