Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse - Indizwirkung des Schwerbehindertenausweises für den Grad der Hilfsbedürftigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein ordnungsgemäßer Schwerbehindertenausweis entfaltet im Rahmen des § 10 Abs 1 Nr 8 b EStG eine hohe Indizwirkung für den tatsächlichen Grad der Hilfsbedürftigkeit, so dass ohne besondere Umstände keine Veranlassung besteht, seine Richtigkeit anzuzweifeln und den Grad der Hilfsbedürftigkeit anders als dort festgestellt zu beurteilen.
2. Die Steuervergünstigung des § 10 Abs 1 Nr 8 EStG ist nicht Bestandteil des familiären Existenzminimums, sondern eine - verfassungsrechtlich unbedenkliche - steuerliche Subvention, bei der dem Schutz von Ehe und Familie genüge getan ist, wenn Ehegatten im Rahmen der gebotenen steuerlichen Gesamtbetrachtung gegenüber Alleinstehenden nicht schlechter gestellt sind.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1, 1 Nr. 8, § 33b Abs. 6-7; EStDV § 65; GGArt 3 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 100
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Sonderausgaben für ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG in den Jahren 1992 bis 1995.
Der Kläger und seine am 14.12.1997 verstorbene Ehefrau, die frühere Klägerin, (im folgenden Ehefrau) wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Zum Haushalt der Eheleute gehörte die am 07.08.1992 geborene Tochter I. Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte als Notar, Treuhänder und …. . Die Ehefrau war bis zur Geburt ihrer Tochter nichtselbständige tätig, zuletzt arbeitete sie krankheitsbedingt nur noch 16 Stunden. Nach der Geburt ihrer Tochter übte sie zu Hause unentgeltlich die Verwaltungstätigkeit für die Grundstücksgemeinschaft N/O aus. Sie war in den Streitjahren an multipler Sklerose erkrankt. Ihr am 05.10.1992 ausgestellter Schwerbehindertenausweis wies zunächst ab dem 12.05.1992 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50, Merkzeichen „G”, aus und wurde am 21.10.1997 mit Wirkung ab 20.11.1996 auf 80, Merkzeichen „G”, „aG”, „B” erhöht. Hinsichtlich der Bedeutung der einzelnen Merkzeichen wird auf die Erläuterung zum Schwerbehindertenausweis (Bl. 25 d.A.) verwiesen. Seit 1997 war die Ehefrau in die Pflegestufe II eingeordnet. Über ihr Krankheitsbild stellte der behandelnde Nervenarzt, Dr. K, am 29.10.1997 folgende Bescheinigung aus.
„Frau A befindet sich hier in kontinuierlicher ambulanter Behandlung. Es besteht eine encephalomyelitis disseminata. Nach den hier vorliegenden Unterlagen bedurfte Frau A in den Jahren 1992 bis 1995 einer zunehmenden Hilfe bei folgenden täglich anfallenden Handlungen: Unterstützung beim Aufstehen aus dem Bett und dem Weg vom Bett zum Bad, Entfernen der nächtlichen Windel, Benutzen der Toilette, Duschen, Kosmetik, An- und Auskleiden.
Frau A konnte diese Verrichtungen immer weniger alleine erledigen und war dabei in zunehmendem Maße auf die Unterstützung anderer Personen angewiesen.”
Die Eheleute beschäftigten ab August 1992 in ihrem Haushalt eine Haushaltshilfe und Kinderfrau zu einem monatlichen Bruttogehalt von 3.100,00 DM, zu deren Aufgaben die Pflege, Versorgung und Betreuung der Tochter und der Klägerin gehörte. Für das Arbeitsverhältnis wurden Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1995 begehrten die Eheleute die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Haushaltshilfe als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG. Für die noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheide für die Streitjahre 1992 bis 1994 beantragten sie eine entsprechende nachträgliche Änderung.
Am 08.01.1997 veranlagte der Beklagte den Kläger und die Ehefrau zur Einkommensteuer für das Jahr 1995 und ließ, ebenso wie bei den am 06.03.1997 aus anderen Gründen erlassenen Änderungsbescheiden für die Jahre 1992 bis 1994, die Aufwendungen für das hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnis außer Betracht.
Hiergegen richteten sich die Einsprüche der Eheleute vom 17.01.1997 und 11.03.1997, mit denen sie die Auffassung vertraten, die Voraussetzungen für den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen seien nach der Intention des Gesetzgebers erfüllt. Die Ehefrau sei zwar nicht hilflos gewesen, habe aber ein GdB von 50 gehabt. Da zum Haushalt überdies ein Kind gehört habe (statt wie gefordert zwei Kinder), seien die alternativ vorgesehenen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 8 a) und b) EStG je zu Hälfte erfüllt gewesen. Ein solcher Fall sei von der Förderungsabsicht des Gesetzgebers erfaßt.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 06. Mai 1997 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er vertrat hierbei die Auffassung, daß Merkmal „Hilflos” müsse nach § 33 b Abs. 7 EStG i.V.m. § 65 Abs. 2 EStDV durch einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „H” nachgewiesen werden. Da ein entsprechender Schwerbehindertenausweis nicht vorgelegen habe, seien die Voraussetzungen der Anspruchsnorm nicht erfüllt.
Hierg...