Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Säumniszuschlägen
Leitsatz (redaktionell)
1) Unbilligkeit i. S. des § 227 AO liegt vor, wenn trotz Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands die Einziehung des Säumniszuschlags im Einzelfall den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft.
2) Fehlendes Verschulden des Steuerpflichtigen begründet für sich allein eine Unbilligkeit i. S. des § 227 AO nicht.
3) Bei einer längerfristigen Säumnis ist der Zins- und Kostencharakter in der Regel mit der Hälfte der Säumniszuschläge - 0,5% der Steuer je angefangener Monat - abzugelten.
4) Wenn der Zweck der anderen Hälfte eines Säumniszuschlags darin besteht, auf den Steuerpflichtigen Druck auszuüben, damit er die geschuldete Zahlung pünktlich erbringt, ist die Einziehung des Säumniszuschlags jedenfalls dann nicht unbillig, wenn der Säumniszuschlag darauf beruht, dass der Steuerpflichtige schuldhaft verspätet gezahlt hat.
5) Das erstmalige Versehen eines pünktlichen Steuerzahlers ist ein Verschulden des Steuerpflichtigen, das grundsätzlich noch keine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigt. Liegt zusätzlich eine lediglich kurzfristige Fristüberschreitung vor, kann die Einziehung i. S. des § 227 AO insgesamt als unbillig angesehen werden. Bei einer längerfristigen Säumnis ist für einen teilweisen Erlass wegen eines offenbaren Versehens kein Raum.
Normenkette
AO 1977 § 227; AEAO Nr. 5b zu § 240; AO 1977 § 240
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Erlass von Säumniszuschlägen wegen eines offenbaren Versehens bei einem bisher pünktlichen Steuerzahler.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger erzielte im Streitjahr (1998) unter der Firma …………… – xyz – Einkünfte aus Gewerbebetrieb und als Gesellschafter sowie Geschäftsführer der Firma ……… GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zum Ende des Streitjahres verkaufte er den der Produktion dienenden Betriebsteil der xyz, die seitdem nur noch als Vertriebsgesellschaft tätig ist. Unter der Firma xyz ist der Kläger ferner Organträger der Firma …. …… Produktions GmbH. Die Klägerin war bei der xyz und der ……. GmbH angestellt und erzielte außerdem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Am 16. November 1999 reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beim Beklagten ein, an der die Prozessbevollmächtigten als steuerliche Berater mitgewirkt hatten. Darin wurde bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb für den Verkauf des Teilbetriebes ein Veräußerungsgewinn von 17,4 Mio. DM deklariert. In einer beigefügten „Steuerberechnung Unternehmensgruppe ……” wurde die Abschlusszahlung der Kläger für Einkommensteuer 1998 mit ……… DM und Solidaritätszuschlag mit ……. DM beziffert, außerdem erscheinen dort Steuerguthaben und Nachzahlungen bei der …… GmbH, der xyz sowie Umsatzsteuer der Klägerin sowie beider Kläger, die per Saldo zu einem Guthaben von 81.320,67 DM führen. Die Vorauszahlungen der Kläger für Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag hatten im Streitjahr ca. 1,9 Mio. DM betragen. Um die Steuerforderung rechtzeitig begleichen zu können, hielt der Kläger seit Anfang des Jahres 2000 einen Betrag von mehr als 5 Mio. DM auf seinem Girokonto bei der VR-Bank ……… e.G. zur Zahlung bereit, der dort monatlich mit 0,5% verzinst wurde. Die Kläger hielten sich seit dem Verkauf des Betriebes jedes Jahr etwa 5 Monate im Ausland auf.
Der Beklagte wich im unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheid 1998 vom 23. Februar 2000 in verschiedenen Punkten von der Erklärung ab; unter anderem rechnete er rund 1,5 Mio. DM Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer wegen fehlender Steuerbescheinigungen nicht an. Hierdurch ergab sich eine Abschlusszahlung von ………… DM Einkommensteuer 1998 und von …….,29 DM Solidaritätszuschlag 1998, zu deren Zahlung die Kläger spätestens bis zum 27. März 2000 aufgefordert wurden. In den Erläuterungen wurden die Kläger ferner darauf hingewiesen, dass für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1% zu entrichten sei, wenn sie die Steuern nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages zahlen.
Die Kläger setzten die Prozessbevollmächtigten per Telefax vom Inhalt des Bescheides in Kenntnis und baten um Überprüpfung. Mit Schreiben vom 29. Februar erhoben die Prozessbevollmächtigten namens der Kläger gegen den Bescheid mit näherer Begründung Einspruch und beantragten die Aussetzung der Vollziehung insoweit, dass nur noch eine Gesamtnachzahlung von ………,50 DM verbleibe. In einem gesonderten Schreiben vom selben Tage teilten die Prozessbevollmächtigten den Klägern das Ergebnis ihrer Überprüfung in Kurzform mit. Sodann heißt es:
„Vorbehaltlich der Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung … ergeben sich folgende Zahlungen, die bis zum 27. März 2000 an das Finanzamt Siegburg unter der Steuernummer … zu entrichten sind:
Einkommensteuer 1998 |
DM ………,74 |
Solidaritätszuschlag |
DM ……,29 |
Ich darf darum bitten, dass bei der Überweisung genau ausgewiesen wird wofür die Beträge zu verwenden sind, damit die Finanzverwaltung richtig buc...