Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuererlass bei Sanierungsgewinnen ab VZ 1998
Leitsatz (redaktionell)
1) Gemäß § 227 AO kommt ein Steuererlass bei Sanierungsgewinnen auch über die Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 27.03.2003 (IV A 6 - S 2140 - 8/03) hinaus in Betracht.
2) Sachlich unbillig ist die Besteuerung des Gewinns im VZ 1998 aus dem Erlass von Schulden, wenn der Abzug des Verlustes aus der Entstehung der Schuld nicht möglich ist.
Normenkette
EStG (bis 1997) § 3 Nr. 66; AO § 227
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Erhebung der Einkommensteuer, die auf einem gesondert festgestellten Aufgabegewinn beruht, aus sachlichen Gründen unbillig ist, soweit darin ein Erlass von Betriebsschulden enthalten ist, der nach dem bis 1997 geltenden § 3 Nr. 66 EStG als Sanierungsgewinn steuerfrei gewesen wäre.
Die Kläger sind Eheleute und beide Diplom-Pädagogen. Zusammen mit dem Sonderschullehrer N erwarben sie als Miteigentümer 1984 das Grundstück „E” in … sowie 1988 das Grundstück „L” in B und gründeten für jedes Objekt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), in der sie die Objekte als Tagungshotels herrichteten und dort gegen Entgelt verschiedenste Aus- und Fortbildungsveranstaltungen durchführten.
Der Beklagte stellte die Einkünfte der beiden GbR jeweils einheitlich und gesondert fest und veranlagte die Kläger gemeinsam zur Einkommensteuer. Seit 1990 erwirtschaftete die L GbR durchgehend Verluste, da die Einnahmen erheblich unter den Finanzierungskosten blieben. Dies führte bei der Einkommensteuer der Kläger zur Feststellung entsprechender Verlustvorträge.
Das L wurde 1995 unter Fortführung des Gewerbebetriebes verpachtet. Das Objekt E wurde 1996/1997 veräußert und diese GbR seinerzeit aufgelöst. Nach Beendigung ihrer aktiven Mitarbeit in den beiden GbR führen die Kläger Teile des Angebots im eigenen Namen weiter. Mit den daraus erzielten Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie Gewinnen aus der Auflösung der E-GbR wurde der Verlustvortrag verrechnet. In den Streitjahren (1998 bis 2001) war der Kläger als Berufsbetreuer selbständig tätig, die Klägerin veranstaltete Kommunikationsseminare, bot Insolvenzberatungen an und war beim X in … angestellt. Ende 1997 verblieben den Klägern 72.905 DM Verlustvortrag.
Die im vorliegenden Verfahren interessierende GbR L wurde 1998 aufgelöst und das L 1999 zwangsversteigert. Die GbR war mit 2 Mio. DM bilanziell überschuldet. Hauptgläubiger waren die Volksbank … e.G. und die Eheleute D, die Erwerb und Umbau des Objektes finanziert hatten. Von den 4 Mio. DM Verbindlichkeiten konnten nur 1,4 Mio. DM durch den Versteigerungserlös getilgt werden, der den Buchwert des Grundstückes (1,9 Mio. DM) deutlich unterschritt. In der Folgezeit schlossen die Kläger sowie Herr N mit den beiden Hauptgläubigern der GbR Vergleichsvereinbarungen. Danach sollten mit der Zahlung näher bestimmter Beträge alle Ansprüche im Wege des Verzichtes abgegolten sein. Im Ergebnis wurden von den 4.044.473 DM Verbindlichkeiten 2.268.194 DM gezahlt oder von anderen Gläubigern weiterhin kreditiert. Die restlichen 1.776.279 DM erloschen Anfang 2002 aufgrund der Vergleichsvereinbarungen. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Gläubiger die Schulden im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB erlassen haben. Gemäß den Beteiligungsquoten des Gesellschaftsvertrages entfallen von den erlassenen Beträgen 15,5% (= 275.323,35 DM) auf den Kläger und 35,5% (= 630.579,29 DM) auf die Klägerin.
Mit Schriftsätzen vom 9. November, 14. und 30. Dezember 2004 beantragten die Kläger durch den Prozessbevollmächtigten die Einkommensteuer für die Streitjahre zu erlassen, soweit darin ein Sanierungsgewinn enthalten sei. Sie stützten dies – soweit für die Klage noch von Bedeutung – auf sachliche Unbilligkeit und verwiesen auf das BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) sowie auf das zwischenzeitlich zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangene Urteil des FG Münster vom 27. Mai 2004 (2 K 1307/02 AO, EFG 2004, 1572). Der Beklagte lehnte den Erlassantrag mit Verfügung vom 17. Januar 2004 (richtig 2005) ab.
Am 11. Mai 2006 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Ablehnung des Erlasses zurück. Er blieb bei seiner Auffassung, dass das BMF-Schreiben für das Begehren der Kläger nichts hergebe und lehnte es ab, die Grundsätze aus dem Urteil des FG Münster zugunsten der Kläger anzuwenden.
Hierauf haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Nachdem zwischen den Beteiligten zunächst Streit über Zeitpunkt und Höhe eines Veräußerungs- oder Aufgabegewinns bestanden hatte, stellte der Beklagte durch Einspruchsentscheidung – ebenfalls vom 11. Mai 2006 – für die GbR im Jahr 1998 einen Aufgabegewinn von 583.419 DM fest, von dem er dem Kläger 90.429 DM und der Klägerin 207.113 DM zurechnete. Der laufende Verlust der GbR von 290.140,13 DM und die Anteile der Kläger daran (44.972 DM und 103.000 DM) blieben unverändert. Im Übrigen blieb dieser Einspruch ohne Erfol...