Entscheidungsstichwort (Thema)
Halbabzugsverbot bei Auflösungsverlust ohne vorhergehende Ausschüttungen
Leitsatz (redaktionell)
Ein Auflösungsverlust unterliegt im Jahr 2002 nicht dem Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 S. 1 EStG, jedenfalls dann nicht, wenn zu keiner Zeit offene oder verdeckte Ausschüttungen der Kapitalgesellschaft erfolgt sind.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 4, § 3c Abs. 2 S. 1, § 3 Nr. 40, § 17 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger gründete 1989 die K GmbH (nachfolgend GmbH genannt). Er war alleiniger Geschäftsführer. Seit August 1997 ist er zu 50 % an der Gesellschaft beteiligt. Sein Anteil an der Stammeinlage betrug nach einer Kapitalerhöhung in 1999 DM …/ EUR …. Die Beteiligung hielt er im Privatvermögen.
Seit Bestehen der Beteiligung hat der Kläger weder offene noch verdeckte Gewinnausschüttungen seitens der GmbH erhalten.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 01.09.2002 (Az. 75 IN 522/02) wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Ausweislich des vom Insolvenzverwalter am 29.08.2002 erstellten Gutachtens überstiegen die Verbindlichkeiten der GmbH (EUR …) die vorhandenen Aktiva (EUR …) um mehr als das Dreifache. Mit einer Quote konnte in einer Größenordnung von 22,20 bis 24,04 % gerechnet werden. Der Insolvenzverwalter führte das Unternehmen kurzfristig, allerdings mit einer deutlich reduzierten Belegschaft fort, um die laufenden Aufträge abzuarbeiten. Zum 31.12.2002 legte er die GmbH still. Das Insolvenzverfahren ist bis heute nicht zum Abschluss gekommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die beigezogene Insolvenzakte des Amtsgerichts Köln verwiesen.
In seiner Einkommensteuererklärung 2002 machte der Kläger einen Verlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG in Höhe des auf ihn entfallenden Stammkapitals von EUR … geltend. Der Beklagte legte unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens einen Verlust in Höhe von EUR … der Besteuerung zugrunde und setzte die Einkommensteuer 2002 auf EUR 0,– fest. Nach Rücktrag eines Teil des Verlustes nach 2001 verblieb ein Verlustvortrag gemäß § 10 d EStG in Höhe von EUR …, welchen der Beklagte mit Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2002 vom 11.05.2005 feststellte. Mit Datum vom 29.04.2005 erging ein Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2003, mit welchem der Verlust unverändert in Höhe von EUR … festgestellt wurde. Da der festgestellte Verlust bei der Einkommensteuerveranlagung 2004 verbraucht wurde, wies der Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2004 vom 17.06.2005 einen Verlust in Höhe von EUR 0,– aus.
Gegen die Verlustfeststellungsbescheide zum 31.12.2002, 31.12.2003 und 31.12.2004 legte der Kläger Einsprüche ein und beantragte den Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG in voller Höhe zu berücksichtigen. Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 27.09.2005 als unbegründet ab. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage.
Mit seiner Klage macht er weiterhin die volle Berücksichtigung seines Auflösungsverlustes geltend. Er trägt dazu vor, das Halbabzugsverbot könne nur dann angewandt werden, wenn auch Erlöse oder Einnahmen vorhanden seien, die zur Hälfte steuerfrei gemäß § 3 Nr. 40 c EStG belassen worden seien. Derartige Erlöse lägen im Streitfall nicht vor. Der Wert des GmbH-Anteils betrage im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung unstreitig EUR 0,–. Auch sei er zu keiner Zeit in den Genuss der hälftigen Besteuerung von Einnahmen gekommen, beispielsweise über Gewinnausschüttungen. Vielmehr habe er in der ganzen Zeit des Bestehens der GmbH nie Erlöse erzielt.
Der Kläger beantragt,
die Verlustfeststellungsbescheide zur Einkommensteuer auf den 31.12.2002, 31.12.2003 und 31.12.2004 vom 11.05.2005, 29.04.2005 und 17.06.2005 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 27.09.2005 dahingehend zu ändern, dass zum 31.12.2002 ein um EUR … erhöhter Verlust festgestellt wird und die anderen Bescheide entsprechend geändert werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise Revision zuzulassen.
Der Beklagte hält daran fest, dass der Verlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG nur zur Hälfte zu berücksichtigen ist. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes vom 25.06.2009 IX R 42/08 (BFH/NV 2009, 1696) wird derzeit von der Finanzverwaltung nicht angewandt und ist mit einem Nichtanwendungserlass belegt (BMF vom 15.02.2010, Gz: IV C 6 – S 2244/09/10002).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1. Die angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Dem Kläger ist in 2002 ein Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG entstanden, den der Beklagte zu Unrecht nur zur Hälfte der Besteuerung zugrunde gelegt hat.
a. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Nach § 17 Abs. 4 EStG ist als Veräußerun...