Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung als Grundlage für den LSt-Haftungsbescheid. Schätzung im AdV-Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
Schätzung mit einer Lohnquote von 66 % der Abdeckrechnungsumsätze und dem Eingangssteuersatz der Steuerklasse VI bei Verputzer und Trockenbauer hält bei vorläufiger Beurteilung auch strafrechtlichen Maßstäben stand, wenn die Steuerfahndung umfassend, plausibel und detailliert dargelegt, weshalb die Lohnbuchhaltung des Antragstellers nur einen Teil der tatsächlich gezahlten Löhne ausgewiesen hat und mit ihren Ermittlungen herausgearbeitet hat, dass Scheinrechnungen für tatsächlich nicht erbrachte Subunternehmerleistungen verbucht wurden.
Normenkette
EStG § 42d; AO §§ 71, 162
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller erbrachte im Streitzeitraum 2001-2006 mit seiner Einzelfirma Verputz- und Trockenausbauarbeiten für verschiedene Auftraggeber. Hierzu bediente er sich sowohl eigener Arbeitnehmer als auch diverser Subunternehmer. Ab dem Jahr 2002 fand bei dem Antragsteller eine gemeinsame Prüfung der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts München und des Hauptzollamts Rosenheim (Ermittlungsgruppe Formica) für den Zeitraum 01/2001-12/2006 statt. Die Ermittler stellten fest, dass der Antragsteller lediglich für einen Teil der tatsächlich gezahlten Arbeitslöhne Lohnsteuer einbehalten und abgeführt hatte.
Der Antragsteller zahlte nach den Ermittlungen an im Übrigen angemeldete Arbeitnehmer einen Teil der Löhne „schwarz” aus. Darüber hinaus führte er für einige Arbeitnehmer überhaupt keinen Lohnsteuerabzug durch, beschäftigte sie also gänzlich „schwarz”. Um dies zu verschleiern und entsprechende Geldmittel für die schwarze Lohnzahlungen zu schaffen, veranlasste der Antragsteller, dass in der Buchhaltung der Firma Scheinrechnungen (Abdeckrechnungen) über tatsächlich nicht erbrachte Leistungen von Subunternehmern verbucht wurden.
Der Antragsgegner – das Finanzamt (FA) – nahm den Antragsteller mit Haftungsbescheid vom 10. Mai 2011 für die hierdurch im Zeitraum 09/2001-12/2006 verkürzten Lohnsteuern in Höhe von 112.200,38 EUR, Solidaritätszuschlag in Höhe von 6.170,78 EUR und Kirchenlohnsteuer in Höhe von 745,33 EUR in Haftung. Wegen der Ermittlungsergebnisse im Einzelnen wird auf den Prüfungsbericht der Ermittlungsgruppe Formica vom 8. April 2011 und der Steuerfahndungsstelle München vom 12. April 2011 verwiesen.
Über den Einspruch des Antragstellers vom 20. Mai 2011 ist noch nicht entschieden. Den an das Finanzamt gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) vom 9. August 2011 lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 22. August 2011 ab, den Einspruch gegen die Ablehnung der ADV mit Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2012.
Mit seinem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht trägt der Antragsteller vor, er habe keinen Schwarzlohn an seine Mitarbeiter gezahlt. Der Sachverhalt sei in den Ermittlungsberichten falsch dargestellt, weshalb eine Verurteilung des Antragstellers nicht zu erwarten sei. Lediglich ein Zeuge von den vernommenen 62 ehemaligen Mitarbeitern habe ausgesagt, dass er Schwarzlohn erhalten habe. Als Beleg führt er Auszüge aus den Vernehmungsprotokollen an. Die Lohnquote im Betrieb des Antragstellers habe im Durchschnitt ca. 50 % betragen. Daher sei die vom Finanzamt bei der Schätzung in nahezu allen Jahren zu Grunde gelegte Quote von 66,66 % viel zu hoch. Im Übrigen seien bei der Betrachtung der Lohnquote auch die Zahlungen an die Subunternehmer einzubeziehen. Täte man dies, so ergebe sich rechnerisch eine Lohnquote im Durchschnitt der Jahre von 52,35 %.
Darüber hinaus läge für den Antragsteller bei Vollziehung des Lohnsteuerhaftungsbescheides eine unbillige Härte vor. Würde der Betrag vollstreckt, so wäre der Antragsteller zahlungsunfähig und gezwungen Insolvenz anzumelden. Er habe aufgrund der Nichtvorhersehbarkeit der Forderungen des Finanzamts keinerlei Rücklagen bilden können. Er verfüge auch über keinerlei Kapitalreserven.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 10. Mai 2011 für die Dauer des Einspruchsverfahrens auszusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
den Antrag abzulehnen,
hilfsweise die Aussetzung der Vollziehung allenfalls gegen Anordnung einer Sicherheitsleistung in Höhe des streitigen Steuerbetrages zu gewähren.
Es verweist im Wesentlichen auf die Ermittlungsberichte, nach denen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen könnten. Auch eine unbillige Härte sei nicht gegeben. Eventuelle Härten durch die Erhebung der Steuern könnten im Vollstreckungsverfahren, beispielsweise im Rahmen von Ratenzahlungen, ausreichend berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist nicht begründet.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) bestehen nach Aktenlage nicht.
1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit...