rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung bei ungeklärten Einzahlungen auf betriebliche Konten
Leitsatz (redaktionell)
1. Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten gemäß § 90 AO, die sich bei Bezügen zu Auslandssachverhalten noch erhöhen (§ 90 Abs. 2 AO), und ist der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar, so kann das FA – und ihm folgend das Gericht – zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht.
2. Insbesondere dann, wenn sich die Mitwirkungspflicht auf Tatsachen und Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen bezieht, kann das FA aus der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen für ihn nachteilige Schlussfolgerungen ziehen.
Normenkette
AO § 162 Abs. 1, § 90
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie wurde mit notarieller Urkunde vom 5. Juli 2012 errichtet und am 24. September 2012 im Handelsregister eingetragen. Der Gegenstand des Unternehmens ist der internationale Handel mit Waren aller Art, abgesehen von genehmigungspflichtigen, gefährlichen oder verbotenen Gegenständen, insbesondere mit Haushaltsgeräten, Kleidung, Produkten zur Anwendung während der Schwangerschaft und für Säuglinge, Babynahrungsmitteln, Fleischerzeugnissen, Tierfutter und Tierimpfstoffen. Der weitere Gegenstand des Unternehmens ist der Technologietransfer im Bereich dieser Produkte. Das Stammkapital der Antragstellerin beträgt 100.000 EUR. Zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer ist X bestellt worden. Das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr. In ihrem zum 31. Dezember 2012 erstellten Jahresabschluss hatte die Antragstellerin einen Überschuss von 1.624 EUR ermittelt.
Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume November und Dezember 2012 (vgl. Bericht vom 28. Juli 2014) stellte das Finanzamt unter anderem fest, dass auf dem Konto der Antragstellerin bei der A. Bank am 19. November 2012 eine Zahlung in Höhe von 31.985 EUR unter dem Buchungstext „aus dem Ausland” eingegangen ist, die auf dem Konto 1365 der Buchführung als „ungeklärter Posten” gebucht wurde. Da die Herkunft der Zahlung und eine Zuordnung zu bestimmten Umsätzen nicht geklärt werden konnte, wurde die Zahlung in Höhe von 29.893 EUR (31.985 EUR × 100/107) der Umsatzsteuer unterworfen und die Betriebseinnahmen um 29.893 EUR erhöht. Die Steuerfestsetzung wurde jeweils mit Bescheid vom 28. November 2014 entsprechend gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geändert. Über den dagegen eingelegten Einspruch hat das Finanzamt noch nicht entschieden. Die beim Finanzamt gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung wurden mit Verfügung vom 17. März 2015 und 20. Oktober 2015 abgelehnt.
Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag wendet die Antragstellerin ein, dass es sich bei dem Betrag von 31.985 EUR um eine Anzahlung der Firma Z aus China auf vier Ausgangsrechnungen vom 5. November 2012 über 22.606 EUR, vom 28. November 2012 über 3.362,60 EUR, vom 29. November 2012 über 500 EUR und vom 10. Dezember 2012 über 2.899,50 EUR (insgesamt 29.368,10 EUR) wegen der Lieferung von Babynahrung, Transportkosten und durchlaufender Posten handle. Es sei in der Geschäftspraxis nicht üblich, dass Akontozahlungen dem Rechnungsbetrag genau entsprechen müssten. Vielmehr seien Abweichungen vom endgültigen Rechnungsbetrag üblich. Zu Unrecht behaupte das Finanzamt, dass in der Bilanz zum 31. Dezember 2012 keine Anzahlungen enthalten seien. Im Kontennachweis des Jahresabschlusses 2012 seien auf dem Konto 1400 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen über 10.303,10 EUR angegeben worden. Es sei ein völlig falscher Ansatz, wenn das Finanzamt verlange, dass etwaige Ratenzahlungen als Erträge in der Gewinn- und Verlust-Rechnung auszuweisen seien, da die der Akontozahlung zu Grunde liegenden Umsätze bereits gewinnwirksam verbucht worden seien.
Das Finanzamt habe bereits mit der Prüfung eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen (Schreiben vom 2. Juli 2015), außerdem habe die Stadt Beitreibungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den nicht bezahlten Gewerbesteuerbeträgen eingeleitet.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag sowie Gewerbesteuermessbetrag jeweils vom 28. November 2014 auszusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Es könne nicht nachvollzogen werden, dass es sich bei dem Betrag von 31.985 EUR um eine Anzahlung auf die Rechnungen an die Z gehandelt habe, da auf den Rechnungen stets ein Gesamtbetrag für bereits gelieferte Waren (Babynahrung) und damit zusammenhängende erbrachte Dienstleistungen (Transport) genannt worden sei, der zur Zahlung fällig war. Auch aus der eingereichten Bilanz seien keine Anzahlunge...