Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblicher Zeitpunkt für den Verlustabzug nach § 8 Abs. 4 KStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine wirtschaftliche Identität i. S. d. § 8 Abs. 4 KStG ist insbesondere nicht gegeben, wenn
- mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden,
- die Gesellschaft mit überwiegend neuem Betriebsvermögen ausgestattet wird und
- die Kapitalgesellschaft mit diesem Betriebsvermögen ihren Geschäftsbetrieb wieder aufnimmt oder ihn fortsetzt. Die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft bestimmt sich damit durch ihren Unternehmensgegenstand und ihr verfügbares Betriebsvermögen.
2. Liegen Voraussetzungen für die Versagung des Verlustabzugs vor, so ist nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. der Verlustabzug vom Zeitpunkt der Anteilsübertragung und nicht erst vom Zeitpunkt der Verwirklichung sämtlicher Tatbestandsmerkmale an ausgeschlossen.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 4
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2004 vom 7. Dezember 2007 wird der verbleibende Verlustabzug nach § 10d Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG festgestellt auf 190.206 EUR.
2. Unter Aufhebung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 vom 7. Dezember 2007 wird der vortragsfähige Gewerbeverlust nach § 10a GewStG festgestellt auf 190.206 EUR.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Aktiengesellschaft (AG), bei der – unstreitig – im Jahr 2002 mehr als die Hälfte der Gesellschaftsanteile übertragen wurden. Strittig ist, ob die wirtschaftliche Identität der Klägerin i.S.d. § 8 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) trotz der Zuführung neuen Betriebsvermögens noch gegeben ist.
Im Bericht über den Jahresabschluss zum 31.12.2001 führte die Klägerin aus, dass ihr Geschäftsbetrieb bis auf weiteres ruht (unter D. Wirtschaftliche Verhältnisse).
Das in den Jahresabschlüssen zum jeweiligen 31. Dezember ausgewiesene Aktivvermögen (Anlagevermögen und Umlaufvermögen) entwickelte sich wie folgt:
31.12.2002 |
9.205,38 EUR |
31.12.2003 |
9.109,22 EUR |
31.12.2004 |
56.507,23 EUR |
In der Bilanz zum 31.12.2003 sind erstmals unter den Finanzanlagen (Anteile an verbundenen Unternehmen) Beteiligungen an der GbR 1 (…) und an der GbR 2 (…) jeweils mit 1 EUR bilanziert. Abschreibungen auf Anschaffungskosten wurden laut Gewinn- und Verlustrechnung im Veranlagungszeitraum 2003 nicht vorgenommen.
Der Sachanlageposten in der Bilanz zum 31.12.2003 „geleistete Anzahlungen und Anzahlungen im Bau” mit 1 EUR betrifft vergebliche Planungskosten für ein Projekt „XY” in NN. Die Aufwendungen aus den Jahren 1999 – 2001 in Höhe von 233.312,94 DM
(= 119.291,01 EUR) wurden im Veranlagungszeitraum 2002 in Höhe von 119.290,01 EUR gewinnmindernd ausgebucht.
Die Erhöhung des Buchwerts der Aktiva zum 31.12.2004 basiert aus einer Beteiligung an der „GbR NN AG”. Diese Beteiligung ist mit 50.518,77 EUR bilanziert, korrespondierend erhöhten sich die sonstigen Verbindlichkeiten um denselben Betrag.
Das beklagte Finanzamt (FA) verneinte die wirtschaftliche Identität der Klägerin und ließ bei den Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer jeweils zum 31.12.2004 vom 15. November 2006 den für Ende 2003 festgestellten Verlustvortrag in Höhe von 160.366 EUR unberücksichtigt. Festgestellt wurde jeweils ein Verlustvortrag 2004 in Höhe von 34.992 EUR. Die entsprechenden Verlustfeststellungsbescheide für 2002 sind bestandskräftig, Ein Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit Bescheiden jeweils vom 6. Juli 2007 (körperschaftsteuerlicher Verlustvortrag und gewerbesteuerlicher vortragsfähiger Gewerbeverlust) aufgehoben.
Die Einsprüche vom 17. November 2006 wurden mit der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 30. Mai 2007: