Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsfrist. Erstattungsanspruch der Familienkasse
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein nach Ablauf der Festsetzungsfrist bekanntgegebener Steuerbescheid ist zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig i. S. v. § 125 Abs.1 AO. Die Rechtsverletzung wird nur durch die Rechtsbehelfsentscheidung auf Anfechtung dieses Bescheids beseitigt. Wird der Bescheid unanfechtbar, bewirkt dies die materielle Bestandskraft. Der Inhalt des Bescheids gilt als richtig.
2. Ein bestandskräftig gewordener Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung berechtigt die zuständige Familienkasse zur Rückforderung des Kindergeldes.
Normenkette
EStG 2002 § 31 S. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 1; AO § 37 Abs. 2, § 125 Abs. 1, § 169 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin (Klin) ist die Mutter des am ….02.1996 geborenen H.
Von September 1995 bis Juni 1998 besuchte die Klin das Pädagogische Fachseminar.
Nach der Geburt des H befand sich die Klin bis Januar 1997 im Erziehungsurlaub. Bis Juni 1998 bezog die Klin Kindergeld vom Landesamt für Besoldung und Versorgung … (Landesamt).
Im Juli 1998 meldete sich die Klin arbeitslos. Mit Formblattschreiben vom 30.07.1998 beantragte die Klin bei der Beklagten (die Familienkasse der Arbeitsagentur) für H Kindergeld und gab an, dass sie in den letzten sieben Monaten vor Antragstellung beim Landesamt beschäftigt gewesen sei. Die Familienkasse der Arbeitsagentur gewährte daraufhin Kindergeld für H bis einschließlich Juli 2008.
Am 06.10.1999 wurde die Klin bei der Verwaltungsgemeinschaft G angestellt. Einen Kindergeldantrag stellte sie nicht. Die Verwaltungsgemeinschaft gewährte daraufhin für die Zeit von November 1999 bis März 2000 Kindergeld für H.
Am 01.03.2000 wechselte die Klin als Fachlehrerin zurück in den Zuständigkeitsbereich des Landesamts. Mit Formblattschreiben vom 28.01.2000 beantragte sie die Zahlung von Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes. Unter der Nummer 8 des Antragsformulars gab sie an, dass sie für H anderweitig Kindergeld weder beantragt noch erhalten habe. Ferner gab sie an, dass sie in den letzten sieben Monaten vor Antragstellung im öffentlichen Dienst bei der Gemeinde G tätig gewesen sei. Im Zeitraum vom 10.09.2001 bis zum Ende der Sommerferien 2004 war die Klin auf eigenen Antrag beurlaubt. In dieser Zeit war sie von Januar 2002 bis August 2004 bei der privaten Fa. E angestellt. Das Landesamt gewährte jedoch für den gesamten Zeitraum ab April 2000 laufend Kindergeld für H.
Im Rahmen einer Prüfungsaktion des Bundesrechnungshofs wurden die beteiligten Familienkassen auf eine mögliche Doppelzahlung hingewiesen.
Mit Bescheid vom 09.12.2008 hob die Verwaltungsgemeinschaft die Kindergeldfestsetzung von November 1999 bis März 2000 auf. Der Bescheid wurde mangels Einspruchseinlegung bestandskräftig. Mit Bescheid vom 08.12.2008 hob das Landesamt die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum ab April 2000 auf. Der Bescheid wurde mangels Einspruchseinlegung bestandskräftig. Mit Bescheid vom 07.01.2009 forderte die Familienkasse der Arbeitsagentur die Erstattung des für den Zeitraum November 1999 bis Juli 2008 zuviel gezahlten Betrages in Höhe von 15.734,84 EUR. Den gegen letzteren Bescheid gerichteten Einspruch vom 01.02.2009 wies die Familienkasse der Arbeitsagentur mit Einspruchsentscheidung vom 16.02.2009 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Die Rückerstattung könne nur für den Zeitraum gefordert werden, der innerhalb der regulären Festsetzungsfrist liege. Eine Verlängerung der Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung scheide aus, da die Klin ihre Kindergeldberechtigung gegenüber den jeweils zuständigen Stellen stets vollständig und wahrheitsgemäß geltend gemacht habe. Auch der Arbeitgeberwechsel sei mitgeteilt worden. Die Verwaltungsgemeinschaft habe die Kindergeldzahlung ohne eine Antragstellung der Klin aufgenommen. Der Klin sei nicht aufgefallen, dass sie parallel auch noch von der Familienkasse der Arbeitsagentur Kindergeld erhalten habe. Die Klin sei davon ausgegangen, dass sich die öffentlichen Arbeitgeber hinsichtlich der Kindergeldzahlung mit der Familienkasse der Arbeitsagentur abgestimmt hätten.
Die Klin beantragt,
den Bescheid vom 07.01.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.02.2009 aufzuheben,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass die Klin eine Steuerhinterziehung begangen habe, da sie der Familienkasse der Arbeitsagentur nicht mitgeteilt habe, dass sie zweimal Kindergeld bezogen habe. Zudem habe die Klin auf dem Antrag vom 30.07.1998 die Kenntnisnahme des Merkblatts über Kindergeld bestätigt. Darin sei sie darauf hingewiesen worden, dass für Angehörige des öffentlichen Dien...