Entscheidungsstichwort (Thema)
Speziell zum Texten und Komponieren ausgestatteter Raum kein "häusliches Arbeitszimmer"; Begriff des häuslichen Arbeitszimmers und Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Abzugsbeschränkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei verfassungskonformer Auslegung ist ein speziell eingericheteter Betriebsraum, den ein selbständiger Texter und Komponist im Souterrain der angemieteten Wohnung unterhält und der ausschließlich für die selbständige Tätigkeit genutzt wird, kein "häusliches Arbeitszimmer" i.S. von § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.6b EStG.
2. Ob und welche Betriebsstätten i.S. von § 12 AO 1977 unter den Begriff des häuslichen Arbeitszimmers fallen, bleibt offen. Ob betrieblich oder beruflich genutzte Räume der Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer unterliegen, lässt sich nicht generell, sondern nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der Umstände (etwa Lage in der Wohnung, Einrichtung mit Geräten ausschließlich für die betriebliche Nutzung, einzige und wesentliche Betriebsgrundlage, Publikumsverkehr) beurteilen. Voraussetzung ist, dass die konkrete Nutzung in den Kernbereich der Nutzung eines typischen häuslichen Arbeitszimmers fällt.
3. Zur Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs.5 Satz 1 Nr. 6b EStG im Hinblick auf das verfahrensrechtliche Zustandekommen der Norm sowie auf die sachliche Ungleichbehandlung von nur selbständig zu Hause tätigen Steuerpflichtigen im Verhältnis zu solchen Steuerpflichtigen, die zu Hause selbständig tätig, darüber hinaus noch beim Arbeitgeber eine völlg andersartige, mit der betrieblichen Tätigkeit zu Hause in keinem Zusammenhang stehende nichtselbständige Arbeit ausüben und deswegen der Abzugsbeschränkung für ein häusliches Arbeitszimmer unterliegen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b Sätze 3, 2, 1, § 9 Abs. 5; GG Art. 3 Abs. 1; AO 1977 § 12
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, in welchem Umfang die Aufwendungen für einen Betriebsraum, den der Kläger für seine selbständige Tätigkeit als Texter und Komponist im Souterrain der angemieteten Wohnung unterhält, als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 1996 wie in den Vorjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH zur Herstellung von Stempeln und Printmedien. Daneben hatte er bereits in den 70iger Jahren eine damit in keinem Zusammenhang stehende selbständige Tätigkeit aufgenommen. Er erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Schallplatten-Herstellung und Vertrieb – …) und solche aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit i. S. v. § 18 Einkommensteuergesetz (EStG) als Texter und Komponist. Die Einnahmen aus gewerblicher Tätigkeit beliefen sich 1995 auf 37.667 DM, aus künstlerischer Tätigkeit 5.837 DM; 1996 auf 59.000,49 bzw. 12.467,71 DM, 1997 auf 52.524 DM bzw. 5.234 DM. Zwischen den beiden letztgenannten Tätigkeiten besteht ein gewisser Zusammenhang. Der Kläger erstellt in einem von dem übrigen Wohnbereich abgetrennten Souterrainraum der Mietwohnung eigene Texte und Kompositionen. Diese Werke vertreibt er einerseits im Rahmen seines Schallplattenvertriebs, andererseits durch Organisation von Bühnenaufführungen. Im Jahr 1996 hat er insbesondere ein Werk, das „…” in diesen Räumen konzipiert, geschrieben und für die Theaterbühne produziert sowie auf Schallplatten auf den Markt gebracht. In den folgenden Jahren wurde daraus eine Tournee-Produktion im In- und Ausland, die der Kläger organisierte und finanzierte. Dafür reduzierte er ab 1997 seine Geschäftsführertätigkeit (und die Einnahmen aus dieser Tätigkeit von 1996 116.194 DM auf 1997 103.681 DM). Nach seiner eigenen Schätzung nahm die selbständige Tätigkeit im Streitjahr mindestens 40 v.H. seiner Gesamtarbeitszeit in Anspruch.
Der ausschließlich betrieblich genutzte Raum ist mit einem Schreibtisch, diversen Musikinstrumenten sowie den notwendigen elektronischen Hilfsmitteln ausgestattet. Die anteiligen Mietkosten i.H. von 6.554,52 DM machte der Kläger in voller Höhe als Betriebsausgaben bei seinen selbständigen Einkünften geltend.
Unter Hinweis auf den gem. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Sätze 2 und 3 EStG eingeschränkten Betriebsausgabenabzug ließ der Beklagte (das Finanzamt – FA) diese Aufwendungen nur i. H. von 2.400,– DM zum Abzug zu. Dabei vertrat das FA die Auffassung, es liege ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne dieser Vorschrift vor, für das die Kosten nur beschränkt abziehbar seien. Der Arbeitsraum stelle aufgrund der nichtselbständigen Tätigkeit nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers dar.
Mit Bescheid vom 29.05.1998 setzte das FA die Einkommensteuer 1996 auf 36.586,– DM fest. Nachdem es die Steuerfestsetzung im Einspruchsverfahren wegen einer zu § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG anhängigen Verfassungsbeschwerde ohne sachliche Änderung gem. § 165 Abs. 1 Abgabenordnung/AO für vorläufig erklärt hatte, wies es den Einspruch mit Einspruchsentscheidung/EE vom 22.06.1999 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die ...