Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine wirksame Klageerhebung, wenn sie unter einer außerprozessualen Bedingung steht und damit der erforderliche unbedingte Wille zur Klageerhebung fehlt
Leitsatz (redaktionell)
Einem Schreiben eines Steuerberaters, mit dem bei der Familienkasse eine Änderung einer Einspruchsentscheidung begehrt wird und das darüber hinaus, falls aus zeitlichen Gründen eine Änderung nicht mehr durchgeführt werden könne, als Klage gewertet werden soll, kann durch Auslegung nicht ohne weiteres eine unbedingte Klageerhebung entnommen werden. Eine solche unter einer Bedingung erhobene Klage ist i. d. R. unzulässig.
Normenkette
FGO § 64 Abs. 1, § 66
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die vier Kinder des Klägers ab Februar 2007 zu Recht erfolgte.
Der Kläger bezog Kindergeld für seine Kinder M (geb. … 1997), N (geb. … 2001), H (geb. … 2002) und T (geb. … 2004). Am 17. Januar 2007 teilte er der Beklagten (Familienkasse) mit, dass er sich am 31. Januar 2007 im Inland abmelden und seine Familie ihren Erstwohnsitz ins Ausland verlegen werde. …
Daraufhin hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für die Kinder des Klägers mit Bescheid vom 18. Januar 2007 ab Februar 2007 auf, da die Kinder ab diesem Zeitpunkt weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) hätten.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 22. Januar 2007 Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2007 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Mit Schreiben vom 23. Juli 2007 beantragte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten bei der Familienkasse eine Änderung der Einspruchsentscheidung. Ferner führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass, falls aus zeitlichen Gründen eine Änderung nach § 174 Abgabenordnung (AO) nicht mehr durchgeführt werden könne, das Schreiben als Klage gegen die Einspruchsentscheidung gewertet werden solle. Nachdem die Familienkasse dem Begehren des Klägers nicht abgeholfen hatte, übersandte es das Schreiben vom 23. Juli 2007 an das Gericht, das am 20. September 2007 bei Gericht einging.
Im Laufe des Verfahrens machte der Kläger u.a. geltend, dass die Klageerhebung im Schreiben vom 23. Juli 2007 nicht unter einer unzulässigen Bedingung erfolgte. Dem Schreiben sei durch Auslegung der eindeutige Wille zur Klageerhebung zu entnehmen.
…
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für M, N, H und T vom 18. Januar 2007 aufzuheben und Kindergeld für die vier Kinder weiterhin zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
…
Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren rechtlichen Vortrags wird auf die Einspruchsentscheidung, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist unzulässig.
a) Mit dem von der Familienkasse an das Gericht weitergeleiteten Schreiben vom 23. Juli 2007 war noch keine wirksame Klageerhebung erfolgt, weil sie unter einer außerprozessualen Bedingung stand und damit der erforderliche unbedingte Wille zur Klageerhebung fehlte. Danach sollte die Familienkasse dieses Schreiben nur dann als Klage ansehen, wenn aus zeitlichen Gründen eine Änderung nicht mehr durchgeführt werden könnte. Die Klageerhebung wurde dadurch von einer außerprozessualen Bedingung abhängig gemacht, nämlich der Entscheidung der Familienkasse, ob eine Änderungsmöglichkeit der Einspruchsentscheidung gegeben ist oder nicht. Eine außerprozessuale Bedingung der Klageerhebung führt aber zur Unzulässigkeit der Klage (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Beschlüsse vom 22. Juni 1982 VII B 115/81, BStBl II 1982, 603; vom 16. Juli 1992 VIII B 118/91, BFH/NV 1993, 40; vom 18. Januar 1994 IX B 126/93 BFH/NV 1994, 871). Da das Schreiben von einem Vertreter der steuerberatenden Berufe verfasst wurde, kann ein unbedingter Wille zur Klageerhebung nicht unterstellt werden.
b) Soweit der Kläger vorträgt, das Schreiben vom 23. Juli 2007 sei im Wege der Auslegung eindeutig als Klage zu betrachten, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Es ist zutreffend, dass Prozesserklärungen wie z.B. die Erhebung einer Klage auslegungsfähig sind (BFH-Urteil vom 8. November 1996 VI R 37/94, BFH/NV 1997, 363). Dabei sind für die Auslegung von Prozesserklärung, die von einem fachkundigen Vertreter abgegeben werden, die Grenzen deutlich enger gesteckt als für die Auslegung von Prozesserklärungen, die von einem Laien stammen (von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage, Vor § 33 Rz. 15).
Vorliegend ist nicht zweifelhaft, dass dem Schreiben des Klägers vom 23. Juli 2007 neben seinem Antrag auf Änderung der Einspruchsentsc...