Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der testamentarischen Anordnung von Vermächtnissen durch den Vorerben hinsichtlich des zur Nacherbschaft gehörenden Vermögens. kein Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 ErbStG beim Nacherben infolge unwirksamer Vermächtnisanordnungen des Vorerben. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 3/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der Erblasser eine Vor- bzw. Nacherbschaft angeordnet, ist der Vorerbe zivilrechtlich nicht berechtigt, über das in der Vorerbschaft gebundene Vermögen von Todes wegen rechtswirksam zu verfügen. Er kann als Vorerbe deshalb keine zivilrechtlich wirksame Vermächtnisanordnung über von der Vor- bzw. Nacherbschaft erfasstes Vermögen treffen. Die vom BFH aufgestellten Grundsätze zur steuerlichen Anerkennung zivilrechtlich unwirksam angeordneter Vermächtnisse könnten bei einer Vor-bzw. Nacherbschaft allenfalls dann Anwendung finden, wenn der Erblasser selbst zu Lebzeiten unwirksame Vermächtnisse angeordnet hätte.
2. Die zivilrechtliche Anerkennung einer Vermächtnisanordnung des Vorerben zu Lasten des Nacherben würde das Anwartschaftsrecht des Nacherben in wirtschaftlicher Hinsicht völlig entwerten und widerspräche daher der im BGB geregelten Systematik der Vor- und Nacherbschaft.
3. Eine vom Vorerben getroffene, den Nacherben belastende und zivilrechtlich unwirksame Vermächtnisanordnung betreffend Vermögen, das zur Nacherbschaft gehört, berechtigt den Nacherben nicht zum Abzug als Nachlassverbindlichkeit.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, 2 S. 1, § 10 Abs. 4, 5 Nrn. 1-3; BGB §§ 2100, 2136, 2139, 2147; AO § 41 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Erbschaftsteuerbescheids und insbesondere, ob der Vorerbe den erbschaftsteuerlichen Erwerb seinen Nacherben durch testamentarische Anordnung von Vermächtnissen belasten kann und insbesondere ob derartige – vom Vorerben angeordnete – Vermächtnisse als Nachlassverbindlichkeiten beim Erwerb des Nacherben abzugsfähig sind.
Die Kläger sind die gemeinsamen Kinder des am xx.xx.2023 verstorbenen vormaligen Klägers R sowie dessen am xx.xx.2016 vorverstorbener Ehefrau E. R war der Alleinerbe seiner am xx.xx.2016 verstorbenen Ehefrau E.
E war (neben C) die Nacherbin nach ihrer Mutter, der am xx.xx.2015 verstorbenen M (im Folgenden: Vorerbin M). Im Wege der Nacherbschaft erwarb E einen 1/18 Anteil an der Z Grundstücksverwaltung GbR (im Folgenden: GbR) in O. Das Gesellschaftsvermögen der GbR besteht aus dem Eigentum an dem Grundstück XY in O. Die Vorerbin M wiederum war die Nacherbin ihrer (vorverstorbenen) Mutter GM. Der ebenfalls vorverstorbene GV, der Vater der Vorerbin M und Ehemann der GM hatte als Erblasser testamentarisch diese gestaffelte Nacherbschaft angeordnet.
Die Vorerbin M hatte für ihr eigenes (nicht der – oben dargelegten – Vorerbschaft unterfallendes) Vermögen testamentarisch diverse Erben eingesetzt; E war hierbei von der Erbfolge ausgeschlossen und E war auch von der Vorerbin M nicht als Vermächtnisnehmerin eingesetzt. Des Weiteren bestimmte die Vorerbin M testamentarisch ein Vermächtnis (u.a.) zu Gunsten der Kläger in Bezug auf die (von ihr – als Vorerbin gehaltene) GbR-Beteiligung; unter Ziffer III Nr. 2 (Vermächtnisanordnung) des Testaments vom 25. September 2012 heißt es wörtlich: „Mir ist bewusst, dass aufgrund einer vom früheren Inhaber meiner GbR-Beteiligung angeordneten Vor- und Nacherbschaft unter Umständen die nachgenannte Vermächtnisanordnung ins Leere geht. Ich möchte mit dieser Vermächtnisanordnung jedoch insbesondere klarstellen, wie nach meiner Vorstellung die Abkömmlinge des Stammes von … bedacht werden sollen.”
Mit „Vermächtniserfüllungsvertrag” vom xx.xx.2017 (Urk.Nr. xxx des Notars Y) übertrug der Vater der Kläger – R – die von ihm als Alleinerben seiner Ehefrau E erworbene 1/18-GbR-Beteiligung zu gleichen Anteilen auf seine vier Kinder, die Kläger in diesem Klageverfahren, die hierdurch jeweils 1/72-GbR-Anteil erwarben; unter Ziffer 1.3 (dort Seite 4) des o.g. Vertrags vom xx.xx.2017 heißt es wörtlich: „Die Beteiligten sind sich darüber einig, mit heutiger Urkunde die vorstehenden Vermächtnisse …. vollständig und endgültig zu erfüllen und zwar unabhängig davon, inwieweit die vorstehenden Vermächtnisanordnungen im Einzelfall bindend sind.”
Ausgehend von der am xx.xx.2016 beim beklagten Finanzamt (im Folgenden: FA) eingegangenen Erbschaftsteuererklärung setzte das FA mit Bescheid vom 26. Januar 2017 gegenüber – der bereits am xx.xx.2016 verstorbenen – E die Steuer i.H. von 0 EUR fest und berücksichtigte hierbei ausschließlich den (zwischen den Beteiligten weder dem Grunde noch der Höhe nach streitigen) Pflichtteilsanspruch der E i.H. von 102.637 EUR. Unter Berufung auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) erließ das FA am 20. Januar 2020 einen (an R als Gesamtrechtsnachfolger von E gerichteten...