Entscheidungsstichwort (Thema)
Besuchsfahrten zu kranken Angehörigen als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen für Fahrten zum Besuch eines kranken Angehörigen sind, auch wenn die Besuche unmittelbar der Heilung oder Linderung der Krankheit gedient haben, wegen fehlender Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abzugsfähig, wenn auf die Geltenmachung eines Aufwendungsersatzanspruches nach § 670 BGB verzichtet worden ist.
Normenkette
EStG § 33; BGB § 670
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Besuchskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. In der Einkommensteuererklärung 2005 machten sie folgende Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend: „Besuch der kranken Mutter” 96 Fahrten × 218 km × 0,30 EUR 6.278 EUR”.
Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt – FA –) ging davon aus, dass 96 Fahrten 48 Besuchen entsprächen, kürzte diese um 12 als üblich anzusehende Fahrten und kam dadurch auf eine Summe von 4.708 EUR (36 × 218 km × 0,30 EUR), die es im Einkommensteuerbescheid 2005 vom 24. Mai 2006 als außergewöhnliche Belastung ansetzte. Dagegen erhoben die Kläger Einspruch. Sie machten geltend, die Mutter der Klägerin sei an insgesamt 96 Tagen besucht worden und legten zwei Bescheinigungen der Pflegedienste der Mutter über Besuche an insgesamt 96 Tagen vor. Laut Bestätigung des Pflegedienstes L vom 12. Juni 2006 wurde die Mutter bis 30. April 2005 vom Pflegedienst 24 Stunden am Tag gepflegt; ab 1. Mai 2005 wurde sie vom Pflegedienst der C gepflegt. Sie legten außerdem ein ärztliches Attest vom 11. Oktober 2005 vor, in dem u.a. bescheinigt wird, dass die Mutter der Klägerin seit einer Hirnmassenblutung vorwiegend bettlägrig sei. Es bestehe eine Hemiparese links sowie eine vollständige Aphasie. Um eine Verbesserung zu erzielen bzw. den erreichten Zustand zumindest sichern zu können, seien weitere regelmäßige Besuche durch Angehörige medizinisch indiziert. Dadurch werde auch eine Deprivation der Patientin verhindert. Wegen der Einzelheiten wird auf das ärztliche Attest Bezug genommen. Nach Auskunft der Kläger habe die Mutter, Jahrgang 1936, die Gehirnblutung im Jahr 2002 erlitten. Sie habe die Pflegestufe 3 erhalten, als Betreuer sei der Ehemann der Mutter, Jahrgang 1928, bestimmt worden. Die Mutter sei zunächst in einem Pflegeheim untergebracht worden, seit August 2004 werde sie zu Hause von einem Pflegedienst betreut.
Nach Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2006 den Einspruch als unbegründet zurück und änderte die bisherige Steuerfestsetzung insoweit zum Nachteil der Kläger, als es die bisher als außergewöhnliche Belastung anerkannten Kosten nunmehr in vollem Umfang nicht mehr zum Abzug zuließ. Begründet wurde die Versagung des Abzugs damit, dass die Fahrten ausschließlich im Interesse der Mutter bzw. der Eltern durchgeführt worden seien und die Eltern aufgrund ihrer Renteneinkünfte über genügend eigene Einnahmen verfügt hätten, um die Aufwendungen für die Fahrten selbst zu tragen. Die Aufwendungen der Kläger seien somit nicht aufgrund einer Zwangslage entstanden, da es ihnen zumutbar gewesen wäre, sich die Fahrtkosten von ihren Eltern erstatten zu lassen.
Dagegen richtet sich die Klage, mit der die Kläger ihr Begehren weiter verfolgen. Sie weisen darauf hin, dass bei der Erkrankung der Mutter insbesondere durch ständige und intensive Anregung und Gabe von Reizen der verschiedensten Art seitens der Angehörigen eine Besserung des Zustandes möglich sei, da Angehörige sich viel intensiver um den Erkrankten bemühten, als Berufskräfte dies tun könnten und sie oft viel kreativer im Hinblick auf medizinische Unterstützung und mögliche Hilfsmittel für den Erkrankten seien als routinierte Berufskräfte. Andererseits führe die gefühlsmäßige Bindung zu den Angehörigen auch beim Erkrankten zu einer Ermutigung, die angesichts der Schwere der Erkrankung regelmäßig aufkommende Resignation zu überwinden und mitunter auch Mühen auf sich zu nehmen und beispielsweise Übungen durchzuführen, die den Zustand verbesserten. Entsprechende Informationen und Empfehlungen fänden sich in der einschlägigen Literatur. Aufgrund dieser Empfehlungen und Hinweise sowie der Tatsache, dass sich die Krankenkasse seit der Entlassung aus der Klinik in ihren Leistungen auf nur noch zwei Wochenstunden Ergo- und Physiotherapie beschränke, sei die Klägerin in der sittlichen Pflicht, zur Besserung des Gesundheitszustandes der Mutter beizutragen. Dieser sittlichen Pflicht habe sie sich nicht entziehen können und habe es deshalb auf sich genommen, seit Beginn der Erkrankung im Jahr 2002 etwa zweimal pro Woche zur Mutter zu fahren, um für jeweils etwa drei bis vier Stunden diverse Übungen mit ihr durchzuführen. Dabei habe sie ständig Kontakt z...