rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Liquidationeinnahmen eines Chefarztes aus wahlärztlichen Leistungen als Arbeitslohn. Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug auch bei Lohnzahlung von dritter Seite. Lohnsteuerhaftung des eine Anrufungsauskunft bewusst missachtenden Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein in einem Krankenhaus angestellter Chefarzt erbringt wahlärztliche Leistungen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht als Freiberufler, sondern im Rahmen seiner nichtselbstständigen Tätigkeit, wenn solche Leistungen zwischen dem Patienten und dem Krankenhaus im Rahmen eines Formularvertrags vereinbart werden, der Chefarzt diese nur unter Verwendung der Geräte, Einrichtungen und des Personals des Krankenhauses zu erbringen berechtigt und verpflichtet ist, er sein Liquidationsrecht nur aufgrund dienstlicher Konzession auszuüben befugt ist und keine Möglichkeit hat, den Kreis seiner Wahl-Patienten zu erweitern.
2. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug entfällt nicht deshalb, weil große Teile des Arbeitslohns von dritter Seite – hier von den Wahl-Patienten – bezahlt werden.
3. Die Entscheidung des Finanzamts, den Arbeitgeber zur Lohnsteuerhaftung heranzuziehen, begegnet keinen Bedenken, wenn der Arbeitgeber, indem er den Lohnsteuerabzug unterlassen hat, bewusst entgegen einer von ihm eingeholten Anrufungsauskunft gehandelt hat.
Normenkette
EStG 1997 § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; LStDV § 2 Abs. 1, § 42d Abs. 1 Nr. 1, §§ 42e, 38, 38a, 191 Abs. 1 Nr. 1, § 5
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob drei beim Kläger angestellte Chefärzte aus der Erbringung wahlärztlicher Leistungen gegenüber stationären Patienten sowie aus der Behandlung ambulanter Patienten in Notfällen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt haben und der Kläger wegen der insoweit unterlassenen Einbehaltung von Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschlägen in Haftung genommen werden durfte.
Der Kläger ist Trägerin des Krankenhauses X und schloss in dieser Funktion drei Dienstverträge über die Anstellung als Leiter der jeweiligen Klinik des Krankenhauses (sog. Chefarztverträge) ab. Im Einzelnen wurden Prof. Dr. A mit Vertrag vom 7.10.1996 als Leiter der Klinik für Hals-, Nasen-, und Ohren-Heilkunde (HNO), sowie mit Verträgen jeweils vom 3.03.1997 Prof. Dr. B als Leiter der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin und Prof. Dr. C als Leiter der Frauenklinik angestellt.
Die Dienstverträge (DV) hatten im Wesentlichen den gleichen Wortlaut und enthielten u.a. folgende entscheidungserheblichen Regelungen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 DV waren die Chefärzte in Fragen der ärztlichen Versorgung unabhängig. Der Umfang ihrer Dienstaufgaben war durch § 3 DV umschrieben. Hierin waren u.a. erfasst die Leitung der jeweiligen Klinik (§ 3 Abs. 1 Satz 1 DV), alle ärztlichen Tätigkeiten mit Ausnahme von Nebentätigkeiten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 DV), insbesondere die Behandlung aller stationärer Kranker (§ 3 Abs. 1 Satz 3 Buchstabe a DV), die Behandlung ambulanter Patienten in Notfällen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 Buchstabe e DV) sowie die Durchführung der notwendigen Visiten bei allen Kranken (§ 3 Abs. 3 Buchstabe a DV). Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 DV war den Chefärzten vorgeschrieben, die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu erbringen. Im Fall der Verhinderung des jeweiligen Chefarztes sah § 6 Abs. 2 Satz 2 DV die Übernahme dieser Aufgabe durch dessen Stellvertreter bzw. die von ihm im Einzelfall beauftragten besonders qualifizierten ärztlichen Mitarbeiter vor. Außerhalb ihrer durch § 3 DV definierten Dienstaufgaben wurde den Chefärzten gemäß § 8 Abs. 2 Buchstabe a DV als Nebentätigkeit die ambulante Beratung und Behandlung von selbstzahlenden Patienten (sog. Privatpatienten) erlaubt, wofür der Kläger sich zur Bereitstellung von Personal, Räumen, Einrichtungen und Material verpflichtete (§ 8 Abs. 7 Buchstabe a DV). Unabhängig von der regelmäßigen Vergütung für die Klinikleitung wurde den Chefärzten dienstvertraglich ein eigenes Liquidationsrecht zum einen „für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen gegenüber denjenigen Patienten, die diese Leistungen gewählt, mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen haben” (§ 9 Abs. 2 Buchstabe a DV) und zum anderen für die „selbstzahlenden Patienten bei ambulanter Operation oder bei ambulanten Notfällen” (§ 9 Abs. 2 Buchstabe c DV) eingeräumt. Gemäß § 9 Abs. 3 DV übernahm der Krankenhausträger keine Gewähr für die Höhe und den Eingang der auf dem Liquidationsrecht nach § 9 Abs. 2 DV beruhenden Einnahmen. Als Beginn des jeweiligen Liquidationsrechts war der Abschluss der schriftlichen Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen (§ 8 Abs. 5 Satz 1 DV) und als dessen Ende die Einstellung solcher Leis...