Wirtschaftlicher Arbeitgeber bei konzerninterner internationaler Arbeitnehmerentsendung
Hintergrund: Arbeitnehmerentsendung im Konzern
Die inländische X-GmbH wandte sich gegen einen LSt-Haftungsbescheid. Streitig war, ob die Vergütung für die Tätigkeit ihres Geschäftsführers (B) dem deutschen LSt-Abzug unterlag.
In 2009 stellte die in der Schweiz ansässige A-AG (Muttergesellschaft) ihrer inländischen Tochter-GmbH aufgrund einer "Dienstleistungsvereinbarung" (DV) den B als Geschäftsführer zur Verfügung. B wohnte in der Schweiz. Er war gleichzeitig Verwaltungsrat der AG und CEO der Unternehmensgruppe.
Nach der DV lag die Handlungsverantwortung für B uneingeschränkt bei der GmbH. Er sollte im Namen, im Auftrag und auf Risiko der GmbH handeln. Die Mitverantwortung der AG war abbedungen. Unbeschadet etwaiger Regressansprüche gegen die AG sollte die GmbH gegenüber Dritten so haften, wie sie haften würde, wenn die Leistungen durch eigenes Personal erbracht würden.
Die Vergütung (Entschädigung), die die GmbH in Form von Monatspauschalen an die AG zu leisten hatte, entsprach derjenigen, die auch an einen unabhängigen Dritten zu zahlen gewesen wäre (einschließlich gesetzlicher Sozialversicherungen und Arbeitgeberbeiträge). Die AG verzichtete auf eine Gewinnmarge. B wurde im Handelsregister als Geschäftsführer der GmbH eingetragen.
Das FA vertrat die Auffassung, die Zahlungen der GmbH an die AG seien dem deutschen LSt-Abzug zu unterwerfen. Die GmbH sei wirtschaftliche Arbeitgeberin des B i.S.v. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG. Dem folgte das FG und wies die Klage ab.
Entscheidung: Ungeklärte Arbeitgebereigenschaft
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG hat wesentliche Umstände für die Beurteilung der GmbH als Arbeitgeberin bzw. des B als Arbeitnehmer nicht berücksichtigt.
Wirtschaftlicher Arbeitgeber
Das inländische aufnehmende Unternehmen wird nicht schon dadurch zum wirtschaftlichen Arbeitgeber i.S.v. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG, dass es dem entsendenden Unternehmen den Arbeitslohn erstattet, der auf die im Inland ausgeübte Tätigkeit entfällt. Hinzukommen muss, dass der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem aufnehmenden Unternehmen in dessen Interesse erfolgt und dass der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist (BFH v. 23.2.2005, I R 46/03, BStBl II 2005, 547; BMF v. 3.5.2018, BStBl I 2018, 643, Rz 132 ff.).
Voraussetzungen für die Eigenschaft als Arbeitgeber
Das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG ersetzt bei einer internationalen Arbeitnehmerentsendung lediglich die für den zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff sonst erforderliche arbeits- bzw. dienstvertragliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf der die Zahlung des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns im Regelfall beruht. Die entsandte Person muss außerdem nach allgemeinen Grundsätzen (Eingliederung, Weisungsgebundenheit usw.) auch als Arbeitnehmer des (wirtschaftlichen) Arbeitgebers anzusehen sein.
Die Vergütung allein ist nicht ausschlaggebend
B stand nur in einem Anstellungsverhältnis zu der AG, von der er bezahlt wurde. Für die GmbH wurde er dagegen (ohne Geschäftsführerdienstvertrag und auch ohne weitere Vergütung) kraft seiner Bestellung als Geschäftsführer tätig. Das FG hat angenommen, die GmbH habe mit der Monatspauschale den Arbeitslohn des B wirtschaftlich anteilig getragen. Diese Annahme wird von den tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt. Allein aus den vereinbarten und gezahlten Monatspauschalen kann nicht geschlossen werden, dass die GmbH den von der AG an B geleisteten Arbeitslohn, soweit er auf die Geschäftsführertätigkeit für die GmbH entfiel, wirtschaftlich trug. Das FG hat nicht alle für die Arbeitgebereigenschaft maßgeblichen Umstände berücksichtigt.
Fehlende Feststellungen zum wirtschaftlichen Gehalt der Monatszahlungen
Es steht weder fest, welche Arbeitsleistungen B der AG schuldete, noch, in welcher Höhe er von der AG hierfür Arbeitslohn bezog. Darüber hinaus fehlen Feststellungen zu den Tätigkeiten Art und Umfang), die B als Geschäftsführer der GmbH ausgeübt hatte. Damit lässt sich nicht feststellen, ob und falls ja, in welchem Umfang die GmbH mit den von ihr an die AG gezahlten Monatspauschalen denjenigen Teil des von der AG an B gezahlten Arbeitslohns ersetzt hat, der wirtschaftlich auf die Arbeit des B als Geschäftsführer der GmbH entfiel.
Keine Feststellungen zu einzelnen Merkmalen der Arbeitnehmereigenschaft
Zwischen der GmbH und B bestand kein Geschäftsführer-Dienstvertrag. Den Feststellungen des FG lässt sich auch sonst nicht entnehmen, dass B persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit gegenüber der GmbH unterlag. Ein konkreter Umfang der Geschäftsführungstätigkeit des B für die GmbH ist nicht erkennbar. Im Übrigen könnten sich aus der Beteiligung des B an der AG als Muttergesellschaft auch Hinweise auf eine selbständige Tätigkeit des B als Geschäftsführer der GmbH ergeben. Denn die Beteiligungsquote kann als Indiz für eine selbständige Tätigkeit herangezogen werden (BFH v. 20.10.2010 - VIII R 34/08, BFH/NV 2011, 585). Auch hierzu mangelt es an hinreichenden Feststellungen.
Zurückverweisung an das FG
Das FG hat die fehlenden Feststellungen nachzuholen, in welchem Umfang die Monatspauschalen den Arbeitslohn des B von der AG für die Tätigkeit bei der GmbH abdeckten und ob B die Geschäftsführertätigkeit für die GmbH als deren (weisungsunterworfener) Arbeitnehmer (nicht als Selbständiger) ausgeübt hat. Sollte sich ergeben, dass die GmbH mit den Monatspauschalen der AG den Arbeitslohn des B erstattet hat und sie wirtschaftliche Arbeitgeberin des B war, wird ferner zu prüfen sein, ob die sich hierdurch ergebende Aufteilung des von B insgesamt bezogenen Arbeitslohns zwischen der GmbH und der AG Fremdvergleichsgrundsätzen standhält.
Hinweis: Organstellung des GmbH-Geschäftsführers
Der BFH stellt klar, dass bei Organen juristischer Personen zwischen der Organstellung und dem ihr zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis zu unterscheiden ist (BFH v. 20.10.2010, VIII R 34/08, BFH/NV 2011, 585). Bestellung und Abberufung als Vertretungsorgan sind körperschaftliche Rechtsakte. Dagegen ist die Anstellung zum Zweck des Tätigwerdens als Vertretungsorgan regelmäßig ein schuldrechtlicher Vertrag. Ob das Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis anzusehen ist, richtet sich nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung selbständiger von nichtselbständiger Tätigkeit (Eingliederung, Weisungsabängigkeit). Abzustellen ist deshalb auch bei der Beurteilung der Tätigkeit eines GmbH-Geschäftsführers vornehmlich auf die Umstände des Einzelfalls und nicht auf die organschaftliche Stellung (BFH v. 20.10.2010, VIII R 34/08, BFH/NV 2011, 585).
BFH Urteil vom 04.11.2021 - VI R 22/19 (veröffentlicht am 17.03.2022)
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