Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuerrechtliche Behandlung der an frühere Bedienstete des Europäischen Patentamts gezahlten Altersversorgungsleistungen bei vorangegangener sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in Deutschland
Leitsatz (redaktionell)
1. Ruhebezüge aus einer ehemaligen Tätigkeit beim Europäischen Patentamt (EPA) sind, soweit sie nicht auf Versorgungsanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung beruhen, als Ruhegehalt nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren. Sie sind auch nicht teilweise steuerfrei, sondern unterliegen als „Renten und Ruhegehälter” der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Empfängers (hier Deutschland).
2. Zur Ermittlung des als Rente zu besteuernden Anteils an der gesamten Versorgung (ohne Haushaltszulage und Teilausgleichszahlung) ist zunächst der Kapitalwert der gesamten Versorgung (ohne Haushaltszulage und Teilausgleichszahlung) für den Zeitpunkt des Pensionsbeginns festzustellen. Hiervon abzusetzen ist der Kapitalanteil an der Grundversorgung, der auf das von der BfA an das Versorgungssystem des EPA überwiesene Guthaben entfällt (Kapitalwert der Leibrente). Dieser Anteil berechnet sich in der Weise, dass das überwiesene Guthaben durch Aufzinsung auf den Pensionsbeginn ermittelt wird.
3. Nach dem so ermittelten Rentenanteil ist nur die Grundversorgung aufzuteilen. Die Haushaltszulage und die Teilausgleichszahlung enthalten keinen Rentenanteil.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Ehegatten, die in den Streitjahren 2009 bis 2014 zusammen veranlagt wurden.
Der Kläger (geb. … 1942) war seit dem 10. September 1980 beim Europäischen Patentamt (EPA), einem nicht rechtsfähigen Organ der Europäischen Patentorganisation (EPO), als Beamter tätig gewesen. Zum 1. Januar 2007 ist er in den Ruhestand getreten. Seither erhält er gemäß der Versorgungsordnung für das EPA (VersO) Altersversorgungsleistungen, deren einkommensteuerrechtliche Behandlung im vorliegenden Verfahren streitig ist.
Vor Aufnahme seiner Tätigkeit beim EPA war der Kläger in Deutschland rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Nach Art. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EPO über die Durchführung des Art. 12 der VersO (DurchfAbk) vom 8. Dezember 1995 (BGBl II 1996, 961) kann ein Beamter des EPA, der in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, die Summe der für ihn gezahlten Beiträge zuzüglich 3,5 % Zinsen für jedes vollendete Jahr nach der Beitragszahlung bis zum Zeitpunkt der Übertragung auf das Versorgungssystem des EPA übertragen lassen. Der Kläger machte von dieser Möglichkeit Gebrauch. Dementsprechend überwies die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) den pauschalen Rückkaufwert der bei ihr bestehenden Rentenanwartschaften (151.625,56 DM) zum 1. September 1998 auf das Versorgungssystem der EPO. Aufgrund dessen erhält der Kläger seine Altersbezüge ausschließlich von der EPO. Diese setzen sich in den Streitjahren wie folgt zusammen:
Der Beklagte, das Finanzamt, erfasste in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre sämtliche Altersbezüge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die hiergegen gerichteten Einsprüche ruhten zunächst antragsgemäß. Nach Wiederaufnahme der Verfahren erließ der Beklagte am 20. Oktober 2017 eine zusammengefasste Teil-Einspruchsentscheidung, mit der er den Einsprüchen insoweit abhalf, als er wegen der Übertragung der Rentenanwartschaften von der Grundversorgung einen Anteil von 16 % als Renteneinkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG behandelte. Die restlichen Altersbezüge berücksichtigte er weiterhin als Versorgungsbezüge nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen. Hinsichtlich der Frage der vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 7. Juli 2015 I R 38/14, BFH/NV 2016, 180, bejahten Steuerpflicht der Teilausgleichzahlung wurde im Hinblick auf die unter dem Aktenzeichen 2 BvR 49/16 beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungsbeschwerde über die Einsprüche nicht entschieden.
Zur Begründung der dagegen gerichteten Klage wird im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
a) Der Beklagte habe den Rentenanteil an der Grundversorgung unter Berücksichtigung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 3. August 1998, BStBl I 1998, 1042, dergestalt berechnet, dass er das von der BfA an die EPO überwiesene Guthaben von 151.625,56 DM (gerundet 152.000 DM) vom Zeitpunkt der Übertragung bis zum Eintritt in den Ruhestand aufgezinst und den so errechneten Betrag von 246.095,60 DM (125.826,68 EUR) zum Kapitalwert der gesamten Grundversorgung bei Ruhestandsbeginn (812.850 EUR) ins Verhältnis gesetzt habe. Nach Auffassung der Kläger sei jedoch auf den Zeitraum zwischen dem Dienstantritt bei der EPO und dem Ruhestan...