Entscheidungsstichwort (Thema)
„Steckerlfisch”-Verkauf in einem traditionellen bayerischen Biergarten als umsatzsteuerlich dem Regelsteuersatz unterliegende „Dienstleistung”
Leitsatz (redaktionell)
Der „Steckerlfisch”-Verkauf in einem traditionellen bayerischen Biergarten (hier: Streitjahre 2009 bis 2013) stellt umsatzsteuerlich eine dem Regelsteuersatz unterliegende „sonstige Leistung” dar, wenn der Betreiber der Fischbraterei im Biergarten einen festen Standplatz pachtet, am Fischstand nur Bretter zur Ablage und Übergabe der von den Mitarbeitern gewürzten und über einem Holzkohlefeuer gegrillten „Steckerlfische” angebracht sind und wenn die Kunden die ihnen nicht filetiert, im Ganzen – in Alufolie oder Packpapier verpackt – übergebenen Steckerlfische an den Biergartengarnituren des Biergartenbetreibers verzehren dürfen, dem Betreiber des Fischstandes also ein Mitbenutzungsrecht an den Sitzgelegenheiten und Tischen im Biergarten zusteht (Abgrenzung zum BFH, Urteil v. 3.8.2017, V R 15/17).
Normenkette
UStG 2009 § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1; UStG 2009 Anl. 2 Nrn. 28, 32-33; UStG 2009 § 3 Abs. 1, 9 S. 1; MwStSystRL Art. 14 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1; VO (EU) Nr. 282/2011 Art. 6
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie betreibt unter anderem Fischbratereien in vier Biergärten (A, B, C, D) in München bzw. in deren unmittelbaren Nähe. Die sogenannten „Steckerlfische” wurden von Mitarbeitern gewürzt und über Holzkohlefeuer gegrillt. Die Fische wurden den Kunden im Ganzen und nicht filetiert in Alufolie oder Packpapier verpackt übergeben. An den jeweiligen Fischständen waren nur Bretter zur Ablage und Übergabe der Fische angebracht; Verzehrvorrichtungen sind dort nicht vorhanden. Entsprechend der Tradition durften die Gäste in die Biergärten eigene Brotzeiten, d.h. in der Regel kalte und einfache Speisen, nicht jedoch eigene Getränke mitbringen (vgl. 2.1. der Begründung zur Bayerischen Biergartenverordnung vom 20. April 1999, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt – GVBl. – 1999, 142).
Die Klägerin pachtete jeweils einen festen Standplatz.
Die Verträge hinsichtlich des Biergartens A schloss sie mit dem Eigentümer der Immobilie, der nicht der Betreiber war. Die Pacht erstreckte sich jeweils auf die Dauer des „Gartenbetriebs” (§ 1). Der Pachtzins betrug für diesen Zeitraum 12.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer (§ 2). Vereinbarungen hinsichtlich des Stroms, des Wasserverbrauchs etc. sollten zwischen dem Betreiber und der Klägerin eigenständig verhandelt werden (§ 5). Mit dem Betreiber des Biergartens verständigte sich die Klägerin mündlich darauf, dass wegen des geringen Strom- und Wasserverbrauchs keine Abrechnung erfolge.
In den Verträgen bezüglich des Standes in dem Biergarten B mit dem Betreiber einigte man sich jeweils auf den Pachtzeitraum vom 1. März bis 31. Oktober; der Pachtzins betrug jährlich netto 3.000 EUR (Nr. 3 des Vertrages). Vereinbart war u.a., dass der monatliche Pachtzins vollständig und unabhängig davon zu erbringen sei, ob der Betrieb des „Steckerlfisch-Standes” aufgrund Wetterbedingungen nicht oder nur teilweise stattfinde (Nr. 6). Die Klägerin hätte die Pacht u. a. dann mindern können, wenn aufgrund von Naturkatastrophen der Betrieb der Gaststätte nicht nur vorübergehend eingestellt worden wäre (Nr. 7).
Mit dem Betreiber C schloss die Klägerin einen mündlichen Vertrag über einen Standplatz für die jeweilige Saison.
Nach den Vereinbarungen mit dem Betreiber des Biergartens D dauerte die Pacht von April bis einschließlich September; hierfür waren 1.500 EUR netto monatlich zu entrichten. In den Pachtzinsen war der Strom, das Wasser, die Abfallentsorgung, die Holzkohlelagerung im Geräteschuppen, die Tiefkühlwarenlagerung im großen Tiefkühlhaus, die Spülmöglichkeit für die Mitarbeiter und die Benutzung der Mitarbeitertoilette enthalten; ferner war ein Weiterverkauf von Brezeln ohne Provision mit täglicher Abrechnung vereinbart.
Die jeweiligen Vereinbarungen mit den Vermietern und Betreibern waren in allen Streitjahren und danach gleich.
Die Biergärten A, B und D warben in den Streitjahren auf ihrem jeweiligen Internetauftritt damit, dass in ihrem Biergarten „Steckerlfisch” angeboten werde. Der Biergarten C warb ab 2014 damit.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (2009 bis 2013) erklärte die Klägerin die Erlöse aus dem Verkauf der gegrillten Fische in den vier Biergärten als ermäßigt zu besteuernde Umsätze. Die Erklärungen führten zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Rahmen einer Außenprüfung für die Streitjahre, welche im Jahr 2014 begann, vertrat der Prüfer die Auffassung, dass auf 90 % der Umsätze der Regelsteuersatz anzuwenden sei; die nicht in den Biergärten verzehrten, sondern mitgenommen Fische schätzte der Prüfer auf 10 % (Bericht vom 11. Juni 2015).
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) erließ am 7. August 2015 entsprechen...