Entscheidungsstichwort (Thema)
Befugnis zur Änderung der Einkommensteuer nach Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheides
Leitsatz (redaktionell)
Die Entscheidung über die Gewerblichkeit von Einkünften ist für die Anwendung des § 32c Abs. 1 EStG aufgrund der selben Tatsachen im Sinne des § 174 Abs 4 AO zu treffen, wie die Entscheidung über die Gewerblichkeit als Voraussetzung für den Erlass eines Gewerbesteuermessbescheides (§ 32c Abs. 2 Satz 1 EstG i.V.m. §§ 7, 2 und 3 GewStG).
Normenkette
AO § 174 Abs. 4; EStG § 32c
Tatbestand
Streitig ist die Änderung des Einkommensteuerbescheides gemäß § 174 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) unter Versagung der Vergünstigung nach § 32c EStG nach Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheides.
Der Kläger betrieb ein Altenheim. Dies wurde vom Finanzamt zunächst als gewerbesteuerpflichtig angesehen. Es erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre und berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden die Steuerermäßigung nach § 32c Einkommensteuergesetz (EStG).
Auf den Einspruch des Klägers wurden die Gewerbesteuermessbescheide aufgehoben. Das Finanzamt änderte daraufhin nach § 174 Abs. 4 AO die Einkommensteuerbescheide und wandte die Steuerermäßigung nach § 32c EStG nicht mehr an.
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt mit Entscheidung vom 3.6.2002 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage wird vorgetragen, die Änderungsvoraussetzungen nach § 174 AO lägen nicht vor.
Die Gewährung des Entlastungsbetrages nach § 32c EStG sei zwar unabhängig von der Entscheidung darüber, ob der Kläger überhaupt gewerbesteuerpflichtig sei, sie ergebe sich aber nicht unmittelbar aus der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes „Voraussetzungen für die Gewerbesteuerbefreiung”, sondern sei nur die Folge der angenommen Gewerbesteuerpflicht, d. h. Folgerung aus einer steuerrechtlichen Folge auf Grund irriger Beurteilung des Sachverhalts. Derartige mittelbare Folgen würden in der Literatur als „Fernwirkungen” bezeichnet und damit nicht als „richtige steuerliche Folgerungen aus dem bestimmten Sachverhalt”, sondern lediglich als Folgerung aus steuerlichen Folgen des Sachverhaltes angesehen.
Der Sachverhalt, den das Finanzamt irrig beurteilt habe, betreffe ausschließlich die Erfüllung aller Voraussetzungen, an die das Gewerbesteuergesetz (GewStG) die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20c GewStG knüpfe. Hierin ende der Sachverhalt im Sinne des § 174 Abs. 4 AO. Die nunmehr zutreffende Beurteilung dieses Sachverhalts durch das Finanzamt habe daher lediglich die unmittelbare Folge, dass der Gewerbesteuermessbetrag habe auf DM 0 festgesetzt werden müssen. Weitere unmittelbare Folgen seien damit nicht verbunden.
Die Anwendung des § 32c EStG hingegen sei wiederum allein abhängig von der Festsetzung der Gewerbesteuer (= Sachverhalt im Sinne des § 174 Abs. 4 AO), somit unmittelbare Folge aus diesem, zuletzt genannten Sachverhalt und mittelbare Folge aus der (irrigen) Beurteilung des Sachverhaltes „Erfüllung aller Voraussetzung, an die das GewStG die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20c GewStG knüpfe”.
§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO stelle ebenfalls keine Rechtsgrundlage für die Änderung der Einkommensteuerbescheide dar. Nach der Legaldefinition des § 171 Abs. 10 AO seien Grundlagenbescheide alle Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide und alle anderen Verwaltungsakte, die für die Festsetzung einer Steuer bindend seien. Dabei sei der Rechtsgrund der Bindungswirkung immer das Gesetz. Die Bindung müsse durch das Gesetz ausdrücklich zugeordnet sein. An eben dieser Voraussetzung fehle es im Verhältnis Gewerbesteuermessbescheid zu Einkommensteuerbescheid, so dass unter den AO-Kommentatoren, mit Ausnahme der Mindermeinung von Schmidt/Glanegger, einhellig der Gewerbesteuerbescheid nicht als Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid angesehen werde.
Die Kläger beantragen, unter Änderung der Einkommensteueränderungsbescheide 1996 vom 26.07.2001 und 1997 vom 07.11.2001, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.06.2002, die Einkommensteuer 1996 auf 688.544 DM und die Einkommensteuer 1997 auf 585.298 DM festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt Klageabweisung, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung und ein im Vorverfahren ergangenes Schreiben hält es daran fest, dass eine Änderungsbefugnis nach § 174 Abs. 4 AO bestanden habe.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf den Schriftsatz der Kläger vom 9.8.2002, das Schreiben des Finanzamts vom 12.9.2002, die Finanzamts Akten und die Sitzungsniederschrift vom 29.4.2003 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt hat die Bescheide zu Recht nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO geändert.
Nach dieser Vorschrift können aus einem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes ein Steuerbeschei...