rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsbefugnis des Nachlasspflegers; Steuerfestzsetzung bei Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO; Erbschaftsteuerfestsetzung gegenüber dem Nachlasspfleger
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Nachlasspfleger ist nach Anordnung der Nachlasspflegschaft bis zu deren Aufhebung durch das Amtsgericht gesetzlicher Vertreter der Erben und als solcher im Verfahren des einstweiliger Rechtsschutzes antragsbefugt.
2) Die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beginnt aufgrund der Sonderregelung des § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO nicht zu laufen, bevor der oder die Erben bekannt sind. Der Umstand, dass der Beginn der Festsetzungsfrist gehemmt ist, steht einer Steuerfestsetzung nicht entgegen.
3) Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Erbschaftsteuer-Schätzungsbescheides, der wegen Unkenntnis der Person des oder der Erben gegenüber dem Nachlasspfleger in einem Bescheid bekanntgegeben wird und der sich bezüglich der Schätzungsgrundlagen an den Angaben des Nachlasspflegers orientiert.
Normenkette
ZPO § 53; AO § 34 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 155 Abs. 3, § 162 Abs. 1-2, § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 5 Nr. 1; ErbStG § 20 Abs. 1, § 31 Abs. 6, § 32 Abs. 1; BGB §§ 1919, 1960 Abs. 2, § 1962; FGO § 58 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung der Vollziehung eines Erbschaftsteuer(ErbSt)-Bescheides.
Der Antragsteller (Ast.) wurde am 22.01.1987 vom Amtsgericht/Nachlassgericht A-Stadt zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des am 19.01.1987 tot aufgefundenen, zuletzt in A-Stadt wohnhaft gewesenen Erblassers Herrn X., geb. am 17.09.1900, bestellt. Der Wirkungskreis der Nachlasspflegschaft umfasst die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben.
Die Erben des Erblassers sind bisher durch Erbschein nicht festgestellt und auch sonst nicht sicher bekannt, weder namentlich noch zahlenmäßig.
Der Ag. erlangte durch Mitteilung des Amtsgerichts A-Stadt am 30.01.1987 Kenntnis vom Tode des Erblassers und von der Bestellung des Ast. zum Nachlasspfleger. In den folgenden Jahren gingen von verschiedenen Banken Mitteilungen gem. § 33 Erbschaftsteuergesetzt (ErbStG) über das Vermögen des Erblassers zum Todeszeitpunkt bei dem Ag. ein. Hinsichtlich der einzelnen Nachlasswerte wird auf die Mitteilungen Bl. 3-14b und 36 der Steuerakte verwiesen.
Auf die mehrfachen Anfragen zum Stand der Erbenermittlung in den Jahren 1988 bis 2001 teilte der Ast. dem Ag. jeweils mit, dass noch keine erbberechtigten Personen ermittelt worden seien. Im einzelnen wird hierzu auf Bl. 17 – 35 und 39 – 51 der Steuerakte verwiesen.
Nach Aufforderung durch den Ag. benannte der Ast. mit Schreiben vom 04.04.2002 und 22.05.2002 die Nachlassgegenstände und teilte deren Werte zum Todestag des Erblassers mit. Der Ast. führte weiter aus, dass die Summe der abziehbaren Verbindlichkeiten noch nicht bekannt sei. Insbesondere sei noch nicht bekannt, wie hoch die Kosten der Nachlassregelung seien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgenannten Schreiben verwiesen (Bl. 52-53 u. 56 der Steuerakte).
Mit Schreiben vom 06.10.2003 teilte der Ast. dem Ag. mit, dass ein Erbscheinsantrag vorliege, in dem von fünf Erben ausgegangen werde. Inwieweit diesem stattgegeben würde, sei aber unklar. Es könnten auf Grund der Tatsache, dass die Erben wohl in der 4. Erbordnung zu suchen seien, durchaus noch in großer Zahl weitere Erben hinzukommen.
Der Aufforderung des Ag. mit Schreiben vom 14.11.2003, eine ErbSt-Erklärung abzugeben, kam der Ast. nicht nach. Er schlug dem Ag. jedoch mit Schreiben vom 26.11.2003 vor, dass zunächst von sieben Erben ausgegangen werden möge. Die Erben seien noch nicht bekannt. Im Hinblick auf die Höhe der Anteile möge davon ausgegangen werden, dass es sieben Erben geben werde, die zu gleichen Teilen erben. Die Höhe der Nachlassregelungskosten würden auf 132.000 EUR (253.169 DM) geschätzt.
Unter Zugrundelegung der mit Schriftsatz des Ast. vom 04.04.2002 angegebenen Nachlasswerte erließ der Ag. am 12.01.2004 nach einem Abgleich dieser Werte mit den vorliegenden Anzeigen gem. § 33 ErbStG einen ErbSt-Bescheid und gab diesen dem Ast. mit dem Zusatz „dieser Bescheid ergeht an Sie als Nachlasspfleger im Erbfall Herrn X. für den Erwerber Erben unbekannt” bekannt. Bei der Steuerberechnung ging der Ag. davon aus, dass der Erblasser von sieben Erben der Steuerklasse IV gem. § 15 Abs. 1 des ErbStG in der zum Todestag des Erblassers geltenden Fassung (ErbStG a.F.) zu jeweils gleichen Anteilen beerbt wurde. Nach Abzug der vom Ast. geschätzten Nachlassregelungskosten errechnete der Ag. einen unstreitigen Nachlasswert i.H.v. 882.182 DM sowie für jeden der 7 fiktiven Erben eine ErbSt i.H.v. 32.209 DM. Insgesamt setzte der Ag. für alle Erben ErbSt i.H.v. 225.463 DM (7 × 32.209 DM) fest. Die Steuerfestsetzung erging nach § 165 AO vorläufig. Der Steuerbescheid enthält folgenden Vorläufigkeitsvermerk: „Der Bescheid ergeht in vollem U...