Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbständige Rechtsanwaltstätigkeit mit 9 Jahre fortwährender Verlusterzielung als Liebhaberei

 

Leitsatz (redaktionell)

Erzielt eine selbständige in Teilzeit arbeitende Rechtsanwältin 9 Jahre lang durchgehend Verluste, ohne dass Maßnahmen zur Änderung ihrer wirtschaftlichen Situation erkennbar wären, sondern werden die Verluste mit den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit ihres Ehemannes und Einnahmen aus Vermietung verrechnet, so ist die Berufstätigkeit insgesamt nicht als freiberufliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht anzuerkennen. Die Verluste sind nicht mit anderen positiven Einkünften verrechenbar.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ihre freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin in den Streitjahren 2000 bis 2009 mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt hat.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Klägerin war seit Juni 1995 als angestellte Rechtsanwältin in M-Stadt und seit Januar 1999 als selbständige Rechtsanwältin mit einer Kanzlei in ihrem Wohnhaus in M-Stadt tätig. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, und zwar zwischen 67.935,– DM im Jahr 2000 und 62.390,– EUR im Jahr 2009. Außerdem erzielten beide Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Im Jahr 1999 erwirtschaftete die Klägerin aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit einen Verlust von 6.102,56 DM (3.115,41 EUR).

Für die Streitjahre gaben die Kläger Einkommensteuererklärungen ab. Hierin erklärten sie folgende Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit, die sich wie folgt zusammensetzten (alle Jahre in EUR und gerundet auf volle Euro):

Jahr

2000

2001

2002

2003

2004

2005

Einnahmen

0

2.268

2.127

600

1.473

250

Ausgaben

-3.660

-4.432

-2.312

-2.601

-2.755

-929

Gewinn/Verlust

-3.660

-2.164

-185

-2.001

-1.282

-679

Jahr

2006

2007

2008

2009

Summe

Einnahmen

0

830

2.994

840

11.382

Ausgaben

-7.424

-2.467

-4.855

-3.910

-35.345

Gewinn/Verlust

-7.424

-1.637

-1.861

-3.070

-23.963

Für das Jahr 2010 erklärten sie einen Gewinn der Klägerin aus selbständiger Arbeit von 179,15 EUR.

Der Beklagte erließ für die Jahre 2000 bis 2005 zunächst der Höhe nach erklärungsgemäße Einkommensteuerbescheide, mit denen er die Einkommensteuer auf 4.208,– DM (2000), 11.964,– DM (2001), 6.934,– (2002), EUR 4.376,– EUR (2003), 6.145,– EUR (2004) und 5.782,– EUR (2005) festsetzte. Die Bescheide ergingen mit einem Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 der AbgabenordnungAO – hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit, da – wie der Beklagte in den Bescheiden erläuterte – die Einkünfteerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden könne (Liebhaberei).

Die Kläger führten bereits wegen des Vorläufigkeitsvermerks ein finanzgerichtliches Verfahren (Az. 10 K 3135/03 E) und trugen hierzu u.a. vor, die Klägerin sei nur in Teilzeit tätig, betreue aber Mandate mit erheblichen Streitwerten u.a. in den Bereichen Baurecht, Verbraucherrecht, Verwaltungsrecht und Strafrecht. Die Honorare flössen ihr meist erst mit deutlicher Zeitverzögerung zu und müssten teilweise sogar beigetrieben werden etwa im Falle eines Prozessgewinns. Die Höhe der Betriebsausgaben sei angesichts der Einnahmen angemessen. Mit Urteil vom 21.04.2004 wies der 10. Senat des Finanzgerichts die Klage ab.

Im Jahr 2008 nahm der Beklagte die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin auf. Nach entsprechender Anhörung erließ er am 04.08.2008 Änderungsbescheide zur Einkommensteuer, mit denen er die geltend gemachten Verluste der Klägerin aus selbständiger Arbeit nicht mehr anerkannte. Dementsprechend setzte er die Einkommensteuer auf 6.138,– DM (2000), 13.216,– DM (2001), 6.976,– EUR (2002), 4.924,– EUR (2003), 6.510,– EUR (2004), 5.832,– EUR (2005) herauf. Gleichzeitig erklärte er die Bescheide für endgültig gem. § 165 Abs. 2 Satz 2 AO. Für das Jahr 2006 setzte er mit Bescheid ebenfalls vom 04.08.2008 die Einkommensteuer erstmals auf 2.244,– EUR fest, ohne die negativen Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Gegen diese Bescheide legten die Kläger am 05.09.2008 Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, die Klägerin habe ihre anwaltliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt. Bei der Ausübung des Anwaltsberufes spreche hierfür nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH – bereits der Beweis des ersten Anscheins. Außerdem seien verschiedene besondere Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. So habe sich die Klägerin neben ihrer beruflichen Betätigung intensiv der Erziehung und Betreuung ihres am xx.xx.1996 geborenen Sohnes gewidmet. Hierzu sei sie bereits in dem früheren Angestelltenverhältnis nur auf Teilzeitbasis tätig gewesen. Ab Anfang 1999 habe sie dann ihre freiberufliche Anwaltstätigkeit ebenfalls in Teilzeit, und zwar mit einem Umfang von wöchentlich durchschnittlich ca. 10-12 Stunden ausgeübt. Sie könne nicht mit einem in Vollzeit tätigen Rechtsanwalt verglichen werden. Ihre Tätigkeit als...

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