rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Teilnehmers einer Steuerhinterziehung
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Geschäftsführer eines Betriebs haftet gem. § 71 AO schon dann für die Steuerschulden des Inhabers, wenn er als Gehilfe der Steuerhinterziehung anzusehen ist.
2) Ein enges Weisungsverhältnis des Geschäftsführers führt nicht zur Einschränkung der Schuld.
Normenkette
AO §§ 370, 370 Abs. 1, 1 Nr. 1; StGB § 27; StPO § 153a; AO § 71
Tatbestand
Streitig ist die Haftung des Klägers gemäß § 71 Abgabenordnung (AO) für Einkommensteuer, Einkommensteuervorauszahlung, Solidaritätszuschlag und Umsatzsteuer sowie Umsatzsteuervorauszahlungen seines Vaters dem Grunde und der Höhe nach für die Streitjahre 1988 bis 1998.
Der Vater des Klägers betrieb seit 1980 das China-Restaurant Lin H sowie zusätzlich seit dem 1.12.1994 den Imbiss M, ebenfalls in H. Der Betrieb L wurde in 1997 umgebaut. Beide Betriebe hat der Vater des Klägers am 13.7.1998 auf den Bruder des Klägers übertragen. Der Vater des Klägers hält sich seit mindestens Frühjahr 1998 in I auf.
Der Kläger, verheiratet mit einer Deutschen, arbeitet seit 1980 in diesem Unternehmen. Im für die Haftung relevanten Zeitraum 1988 bis 1. Quartal 1998 war der Kläger unstreitig in der Küche, im Service, im Buffet-Betrieb und auch in der kaufmännischen Organisation tätig. Er hat den Kontakt mit den Lieferanten und Behörden gehalten, da er der deutschen Sprache mächtig war. Ob der Kläger darüber hinaus im Streitzeitraum als Geschäftsführer tätig war, ist zwischen den Parteien streitig. In den hier maßgeblichen Jahren war der Kläger mit seiner Tätigkeit als sozialversicherungspflichtig gemeldet. In den Einkommensteuererklärungen 1984 bis 1996, letztere eingereicht am 3.9.1997, wird sein Beruf mit „Geschäftsführer” angegeben. In den Einkommensteuererklärungen 1997, eingereicht am 8.9.1999, und 1998, eingereicht am 10.1.2001, wird sein Beruf als „Kellner” bezeichnet. Der in den Einkommensteuererklärungen angegebene Bruttolohn des Klägers stieg von 28.465 DM (1984) auf 70.573 DM (1994). 1995 betrug er 60.673 DM, 1996 59.575 DM. In der Zeit des Umbaus des Betriebs L war der Kläger vom 17.2.1997 bis 30.8.1997 arbeitslos gemeldet. Der Bruttolohn betrug in 1997 25.307 DM. 1998 entfiel auf den Zeitraum bis zur Übernahme des Betriebes am 12.7.1998 durch den Bruder ein Bruttolohn von 27.781 DM, wohingegen auf den Zeitraum danach nur ein Bruttolohn von 12.595 DM entfiel.
Der Kläger meldete am 25.8.1994 ein Gewerbe an, dass sich mit der Erstellung von Kassen-Computer-Systemen befasste. Dieses Gewerbe betrieb er neben seiner Tätigkeit im Unternehmen seines Vaters. Am 1.10.1998 ist dieses Gewerbe von ihm abgemeldet worden. In den Betrieben des Vaters des Klägers wurden seit 1995 Speicherkassen eingesetzt.
Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung bei der T GmbH & Co. KG (im weiteren: Fa. T) wurde festgestellt, dass dort für das Unternehmen des Vaters des Klägers zusätzlich zu dem offiziellen Konto (Nr. 200020) noch zwei weitere Konten (Nr. 450001 und 450049) geführt wurden. Über diese Konten wurden Barverkäufe ohne Nennung des Namens und der Anschrift des Käufers getätigt. Es liegen quittierte Barverkaufsrechnungen mit der Unterschrift „Q” vor, wobei streitig ist, ob diese vom Kläger unterzeichnet worden sind. Hinsichtlich der Höhe der so getätigten Umsätze wird auf den Bericht vom 7.9.1998 des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Bochum (STRAFA-FA Bochum) verwiesen. Diese Praxis der getrennten Rechnungsstellung wurde bei der Fa. T ab dem 11.6.1994 eingestellt. In der Folge wurde ein Teil der in Rechnung gestellten Beträge bar bezahlt und nicht als Wareneinkauf des Restaurants gebucht. Für die Zeit von Januar 1988 bis zum 8. Februar 1990 wurden daneben anonyme Wareneinkäufe bei einer Steuerfahndungsprüfung bei der G-GmbH & Co. KG festgestellt. Hinsichtlich der Höhe wird ebenfalls auf den Bericht des STRAFA-FA vom 7.9.1998 verwiesen.
Das STRAFA-FA Bochum leitete gegen den Vater des Klägers am 24.10.1997 ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung ein, sowie am 4.11.1997 ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen den Kläger. Am 27.4.1998 erfolgten im Rahmen dieser Verfahren Durchsuchungen u.a. in der Wohnung des Klägers und in den Betrieben. Dabei wurde der Kläger angetroffen, sein Vater aber nicht. Ausweislich des Durchsuchungsprotokolls (Bl. 26 d. Strafakte zu 301 Js 672/99) soll der Kläger erklärt haben: „Wir haben damit gerechnet, dass Sie kommen”. Auch soll er hiernach zugegeben haben, dass bei der Fa. T schwarz eingekauft worden sei. Im Restaurant wurden in einem Papierkorb weggeworfene Kassenbons von … und … aus den Monaten März und April 1998 (Bl. 62ff. d. GA) vorgefunden. Aus den Jahren 1997 und 1998 wurden Kassenausdrucke sichergestellt sowie eine CD-ROM mit den tatsächlich angefallenen Umsätzen der Monate Dezember 1996 und Januar 1997 des Restaurants beschlagnahmt. Hinsichtlich fehlender Buchführungsunterlagen erklärte der Kläger den Fahndungsprüfers...