Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
Wesentliche Voraussetzung für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist das Innehaben der tatsächlichen Herrschaftsmacht über das Wirtschaftsgut infolge Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten.
Normenkette
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist die Zurechnung von 7 Eigentumswohnungen, A-Straße 14 a – 14 c in X-Stadt auf den 01.01.1999.
Der Eigentümer des unbebauten Grundstücks A-Straße 14 a – 14 c in X-Stadt, der Beigeladene, erhielt von der Klägerin (Kl.) ein Darlehen über 4,5 Mio. DM zur Bebauung des Grundstücks mit 18 Eigentumswohnungen. Zur Sicherung räumte er der Kl. eine entsprechende erstrangige Grundschuld an dem Grundbesitz ein.
Noch bevor alle Eigentumswohnungen fertiggestellt waren, wurde Ende 1997 über das Vermögen des Grundstückseigentümers das Konkursverfahren eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt valutierte das von der Kl. gewährte Darlehen noch mit ca. 4,1 Mio. DM.
Am 06.03.1998 unterbreitete der Beigeladene der Kl. folgendes notarielles, bis zum 31.12.2002 unwiderrufliches Angebot,
„mit mir den nachfolgenden Kaufvertrag abzuschließen. Das Angebot kann auch von einer von der A. (das ist die Kl.) zu benennenden dritten Person und zu einem höheren als dem nachfolgend genannten Kaufpreis angenommen werden. Auch eine teilweise Annahme des Angebots hinsichtlich des in den einzelnen Grundbüchern verzeichneten Wohnungseigentums durch die A. oder von dieser zu benennenden dritten Person soll möglich sein. Zur Sicherung der A. oder der durch dieser zu benennenden dritten Person soll jeweils an rangbereiter Stelle eine Auflassungsvormerkung in den nachstehend aufgeführten Grundbüchern nach Maßgabe dieses Angebots eingetragen werden.”
Der nachfolgend in die Urkunde aufgenommene Kaufvertrag bezog sich lt. § 1 auf 9 zum damaligen Zeitpunkt noch nicht völlig fertiggestellte und noch nicht veräußerte Eigentumswohnungen, zu denen auch die streitgegenständlichen Wohnungen gehörten. Lt. § 3 des Vertrages war ein Mindestkaufpreis von 2.000 DM pro qm vereinbart. Weiter heißt es:
„Der Kaufpreis wird bereits jetzt an die A. abgetreten, unabhängig davon, ob diese das Angebot selbst annimmt oder durch Dritte annehmen lässt. Die A. nimmt diese Abtretung hiermit bereits an.
Mit dem Kaufpreis sind die auf dem Grundbesitz ruhenden Belastungen abzulösen, sofern diese nicht mit dinglicher und/oder schuldrechtlicher Wirkung übernommen werden.”
Lt. § 6 der notariellen Urkunde vom 06.03.1998 sicherte der Beigeladene zu, dass der in § 1 genannte Grundbesitz nicht vermietet sei. Er verpflichtete sich, ohne schriftliche Zustimmung des Käufers keine Vermietungen vorzunehmen.
Zu den weiteren Einzelheiten des notariellen Angebots wird auf die Kopie (Bl. 48-56 der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Durch eine Inaugenscheinnahme stellte der Beklagte (Bekl.) am 09.02.2001 fest, dass von den 18 Eigentumswohnungen 10 bewohnt seien. Die Grunderwerbsteuerstelle des Bekl. gehe von einem grunderwerbsteuerpflichtigen Tatbestand gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 – 7 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) aus. Auf den Aktenvermerk vom 09.02.2001 (Bl. 12 der Steuerakte 139-3-06145.5) wird Bezug genommen.
Der Bekl. sah daraufhin die Kl. als wirtschaftliche Eigentümerin der im notariellen Angebot von 06.03.1998 bezeichneten Eigentumswohnungen an, stellte durch Einheitswertbescheide vom 11.04.2001 Art und Wert der Wohnungen fest und rechnete diese der Kl. auf den 01.01.1999 zu. Außerdem erließ er am 11.04.2001 entsprechende Grundsteuermessbescheide.
Gegen die Bescheide – Zurechnung und Grundsteuermessbetrag – erhob die Kl. am 19.04.2001 Einspruch. Sie verwies darauf, sie sei zu keinem Zeitpunkt zivilrechtliche Eigentümerin des Grundbesitzes geworden. Auch wirtschaftliches Eigentum im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sei nicht gegeben. Die Vereinbarungen der Kl. mit dem Grundstückseigentümer hätten lediglich dazu gedient, das von der Kl. gewährte Darlehen weiter abzusichern.
Der Bekl. wies die Einsprüche durch Einspruchsentscheidungen (EE) vom 03.12.2001 als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, die Kl. sei infolge des notariellen Angebots vom 06.03.1998 wirtschaftliche Eigentümerin des Grundbesitzes geworden. Durch das Angebot werde bereits rechtlich und tatsächlich eine Situation geschaffen, die der Kl. wirtschaftliches Eigentum verschafft habe. So sei die Kl. zur Abnahme des Grundbesitzes verpflichtet und es sei zu ihren Gunsten am 02.04.1998 eine entsprechende Auflassungsvermerkung eingetragen worden. Auch sei ihr bereits der Kaufpreis abgetreten worden. Zudem habe der Kl. ohne weitere Einbeziehung des Eigentümers das Recht zugestanden, Wohnungskäufer zu suchen und zu benennen und allein zu bestimmen, inwieweit ein höherer als der vereinbarte Mindestkaufpreis zu zahlen war.
Mit ihrer am 04.01.2002 erhobenen Klage verfolgt die Kl. ihre Begehren auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide weiter.
Sie verweist darauf, dass sie zu keinem Zei...