Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein steuerbefreiter Grundstücksübergang auf eine Gesamthand bei Verschmelzung der übertragenden Gesellschaft auf eine neugegründete Gesellschaft - Wahrung der Festsetzungsfrist nur bei (späterem) Zugang des Bescheids
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Grunderwerbsteuerbefreiung für den Grundstücksübergang auf eine Gesamthand kann auch durch eine Verschmelzung der grundstücksübertragenden Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft oder durch Verschmelzung in Form der Neugründung einer Gesellschaft entfallen.
2) Die Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuer beginnt in den Fällen, in denen der beurkundende Notar gemäß § 18 GrEStG anzeigepflichtig ist, mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entsteht.
3) Ein vor Ablauf der Festsetzungsfrist abgesandter Steuerbescheid, der dem Steuerpflichtigen tatsächlich nicht zugeht und später, nach Ablauf der Festsetzungsfrist ein zweites Mal in einem selbständigen Vorgang bekannt gegeben wird, kann die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nicht wahren.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 5 Abs. 2, § 18 Abs. 1, 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1, 5; AO 1977 § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1, § 169 Abs. 1, 1 Sätze 3, 3 Nr. 1, Abs. 2, 2 Nr. 2, § 170 Abs. 1-2, 2 Sätze 1, 1 Nr. 1; GrEStG § 1 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist zum Einen, ob eine geänderte Steuerfestsetzung innerhalb der Festsetzungsverjährung vorgenommen wurde und zum Anderen, ob der Beklagte zu Recht die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 Grunderwerbsteuergesetz – Beteiligung des Veräußerers am Vermögen der erwerbenden Gesamthand – versagt hat oder ob diese in Höhe von 94 % des vereinbarten Kaufpreises gewährt werden muss.
Die Klägerin, die F. Vermietungs-GmbH & Co. Objekt S. KG, erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29.12.1986 (UR-Nr. 2973/1986 Wf, Notar,) die in der Gemarkung L.-Stadt, Flur 23, bezeichneten Flurstücke 79, 83, 92, 93 und 94 sowie Flur 24, Flurstücke 13, 23, 38 und 39 zum Kaufpreis von 14.648.427,00 DM. Der Kaufpreis wurde später um 265.651,00 DM erhöht.
Verkäuferin der Grundstücke war die Firma „M. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH S.” (M.). Diese war im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses zu 94 v. H. am Vermögen der Klägerin beteiligt. Im Juli 1987 wurde die Firma M. mit anderen Gesellschaften zur „N. Deutschland AG” (N.) verschmolzen. Grundlage der Verschmelzung waren unter anderem die Bilanzen zum 31.12.1986 – die Verschmelzung sollte im Innenverhältnis ab dem 01.01.1987 wirksam werden.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Entwurf des Verschmelzungsvertrages mit Verschmelzungsbericht und Verschmelzungsprüfungsbericht verwiesen.
Der Beklagte, dem zunächst nur der Grundstückskaufvertrag bekannt war, hatte im Jahre 1987, ausgehend von dem dort festgelegten Kaufpreis, Grunderwerbsteuer festgesetzt. Auf einen Einspruch hin, mit dem die vermögensmäßige Beteiligung der Firma M. geltend gemacht wurde, wurde die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 Grunderwerbsteuergesetz in Höhe von 94 % des vereinbarten Kaufpreises gewährt. Auf eine Anzeige der Klägerin hin wurde dann noch im Jahre 1987 der erhöhte Kaufpreis anteilig berücksichtigt. Dementsprechend war mit Änderungsbescheid vom 03.08.1987 die Grunderwerbsteuer auf 17.896,00 DM festgesetzt worden – Bemessungsgrundlage 17.914.078,00 DM – 14.019.233,00 DM = 894.845,00 DM. Diese Festsetzung wurde bestandskräftig.
Nachdem ein anderes Finanzamt, das für die Verschmelzung auf Konzernebene zuständig war, im Dezember 1990 mit einer Kontrollmitteilung diese Verschmelzung dem Beklagten mitgeteilt hatte und dabei darauf verwiesen hatte, dass wegen der Verschmelzung eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 Grunderwerbsteuergesetz nicht in Betracht komme, erließ der Beklagte geänderte Steuerfestsetzungen. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Festsetzungen:
- Mit Änderungsbescheid vom 17.12.1990 wurde gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von nunmehr 275.072,00 DM festgesetzt – Bemessungsgrundlage 14.648.427,00 DM. Der Bescheid ist an die Klägerin mit der aus dem bisherigen Besteuerungsverfahren bekannten Adresse gerichtet. Der entsprechende Brief kam mit dem Hinweis „unbekannt verzogen” im Dezember 1990 zurück.
- Mit einem als Änderungsbescheid bezeichneten Bescheid vom 27.12.1990 hat der Beklagte Grunderwerbsteuer in Höhe von 280.385,00 DM festgesetzt – Bemessungsgrundlage 14.914.078,00 DM. Der Bescheid ist gerichtet an die Firma N. als Rechtsnachfolgerin der Klägerin und dort am 28.12.1990 zugestellt worden. Die Firma Nestle teilte Anfang 1991 mit, dass sie nicht Rechtsnachfolgerin der Klägerin sei. Es wurde vorsorglich Einspruch eingelegt. Der Bescheid sei zu weiteren Bearbeitung an die Klägerin weitergeleitet worden.
- Mit Schreiben (Bescheid) vom 17.01.1991 wird die Klägerin unter ihrer zutreffenden Adresse angeschrieben. In diesem Schreiben heißt es unter anderem: „Ich übersende eine Ausfertigung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 17.12.1990”. Dem Schreiben ist ein...