Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung - Kein rückwirkendes Ereignis bei nachträglicher Option zur Umsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Die nachträgliche Option zur Umsatzsteuer nach § 9 i.V.m. § 4 Nr. 9a UStG stellt kein rück-wirkendes Ereignis im Sinne der §§ 233a Abs. 2a und 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO 1977 dar. § 233a Abs. 2a AO 1977 ist auf einen solchen Fall auch nicht analog anwendbar.
Normenkette
AO 1977 § 175 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 2, § 233a Abs. 2, 2a; EGAO 1977 Art. 97 § 15 Abs. 8; UStG § 4 Nr. 9a, § 9
Nachgehend
Tatbestand
I.
Streitig ist, wie sich eine nachträglich erklärte Option zur Umsatzsteuerpflicht (§ 9 Umsatzsteuergesetz – UStG –) auf die Verzinsung nach § 233 a Abgabenordnung (AO) auswirkt.
Der Kläger (Kl.) betrieb Land- und Forstwirtschaft (L u. F) und gewerbliche Vermietungen. Bis zum 31.12.1992 versteuerte er seine Umsätze aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gem. § 24 UStG nach Durchschnittssätzen. Mit notariellem Vertrag vom 20.11.1992 veräußerte er ein teilweise seinem landwirtschaftlichen Unternehmen dienendes Grundstück an eine Firma GmbH & Co. (Fa. M.). Der auf den betrieblichen Teil des Grundstücks entfallende Kaufpreis betrug netto DM. Die Vertragsparteien vereinbarten, daß im Falle einer Option zur Umsatzsteuerpflicht nach § 9 UStG die Erwerberin die Umsatzsteuer zusätzlich zum bisher vereinbarten Kaufpreis zu zahlen habe. Die Besitzübergabe erfolgte am 02.01.1993. Ab dem 01.01.1993 versteuerte der Kl. seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften. Der Kl. behandelte das Grundstücksgeschäft in seiner für 1993 abgegebenen Umsatzsteuererklärung zunächst als umsatzsteuerfrei. Die Erklärung wies einen Vorsteuerüberschuß in Höhe von DM aus, dem der Beklagte (Bekl.) zustimmte.
Während einer Betriebsprüfung (Bp) beim Kl. für die Jahre 1989 bis 1993, die von 1995 bis 1997 dauerte, verzichtete der Kl. im September 1996 im Hinblick auf das betriebliche Grundstück auf die Umsatzsteuerfreiheit der Veräußerung. Unter dem 18.09.1996 erteilte der Kl. der Fa. M. eine Rechnung über das Betriebsgrundstück, in der die Umsatzsteuer in Höhe von DM offen ausgewiesen war. Die sich aus dieser Rechnung ergebende Umsatzsteuer meldete der Kl. in seiner Umsatzsteuervoranmeldung für 09/1996 beim Bekl. an. Diese Voranmeldung ging am 05.11.1996 beim Bekl. ein. Die Fa. M. trat ihr Vorsteuerguthaben für 09/1996 aus dem Grundstückserwerb an den Kl. ab, der damit beim Finanzamt gegen seine Umsatzsteuerschuld aus dem Grundstücksgeschäft aufrechnete.
Der Bekl. berücksichtigte das Grundstücksgeschäft abweichend von der Auffassung des Kl. nicht im Jahr 1996, sondern erhöhte die steuerpflichtigen Umsätze des Jahres 1993 und setzte die Umsatzsteuer auf DM fest (Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 1993 vom 19.09.1997). Dieser Bescheid ist nach Rücknahme des dagegen (verspätet) eingelegten Einspruchs bestandskräftig geworden.
Mit Bescheid vom 29.09.1997 setzte der Bekl. Zinsen zur Umsatzsteuer 1993 in Höhe von DM fest. Nach einem dagegen eingelegten Einspruch wurde die Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen in der Einspruchsentscheidung (EE) auf DM herabgesetzt. Es wird auf die EE vom 02.01.1998 Bezug genommen.
Mit der Klage begehrt der Kl. eine weitere Herabsetzung der Zinsen.
Er trägt vor, er sei davon ausgegangen, daß die Umsatzsteuer aus dem Grundstücksgeschäft in dem Besteuerungszeitraum zu erfassen sei, in dem die Option erklärt worden sei (analog § 17 UStG). Dies sei zunächst auch Auffassung des Bp-Prüfers gewesen. Der Kl. und der Prüfer seien auch gem. Abschnitt 148 Abs. 3 Satz 2 UStR darüber einig gewesen, daß eine Option nach § 9 UStG auch bei einem formell bestandskräftigen, aber unter Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) stehenden Steuerbescheid möglich sei. Hieran sei der Bekl. nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO gebunden. Der nachträgliche Verzicht auf die Steuerbefreiung sei somit wirksam erfolgt. Die Zinsen dürften nicht ab dem 01.04.1995 berechnet werden, weil die Option zur Umsatzsteuerpflicht nach § 9 UStG ein rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstelle und die Zinspflicht gem. § 233 a Abs. 2 a AO erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten sei, einsetze. Der § 233 a Abs. 2 a AO sei gem. Artikel 97 § 15 Abs. 8 EGAO für rückwirkende Ereignisse anwendbar, die nach dem 31.12.1995 eingetreten seien. Der Absatz 2 a des § 233 a AO habe den Sinn und Zweck, die Zinspflicht von konkreten Liquiditätsvorteilen abhängig zu machen. Die davor geltende Rechtslage werde diesem Anspruch nicht gerecht.
Auch wenn man in der Option zur Umsatzsteuerpflicht nach § 9 UStG kein rückwirkendes Ereignis i. S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sehe, sei § 233 a Abs. 2 a AO trotzdem anwendbar, weil der Klammerzusatz im Gesetzestext lediglich eine beispielhafte Aufzählung derjenigen rückwirkenden Ereignisse beinhalte, die gesetzlich geregelt seien. Ansonsten hätte der Gesetzgeber wie beim Fall des § 10 d EStG auf einen Klam...