Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 57/22)
Leitsatz (redaktionell)
Bei Bewertung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück ist für Zwecke der Erbschaftsteuer der Nachweis zulässig, dass der Miteigentumsanteil an dem Grundstück weniger wert ist (Marktanpassungsabschlag), als es dem rechnerischen Anteil am gemeinen Wert des Grundstücks entspricht.
Normenkette
AO § 179; BewG § 151; ErbStG § 12; BGB § 2147 ff.; BewG §§ 2, 198
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Bedarfswertfeststellung für Zwecke der Erbschaftsteuer darüber, ob auf der Grundlage eines Gutachtens i. S. des § 198 des Bewertungsgesetzes (BewG) für einen hälftigen Miteigentumsanteil an einer Immobilie ein Marktanpassungsabschlag von 20 v. H. vorgenommen werden darf.
Der Kläger erwarb als Vermächtnis nach dem am 00.00.2019 verstorbenen Herrn I. I. dessen Miteigentumsanteil von 50 v. H. an der Immobilie G1 […]. Es handelt sich dabei um ein 651 qm großes Grundstück, das mit einem Zweifamilienhaus (Baujahr ca. 1928) nebst Anbau und Garagen bebaut ist. Der weitere Miteigentumsanteil von 50 v. H. wurde und wird bis dato durch die Erbengemeinschaft nach der am 00.00.2016 verstorbenen Frau F. C. gehalten, welche aus dem Kläger und seinem Bruder J. C. besteht.
Auf entsprechende Anforderung der Erbschaftsteuerstelle fordert der Beklagte den Kläger auf, eine Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes für das streitgegenständliche Grundstück auf den Stichtag 00.00.2019 einzureichen. Der Kläger gab diese Steuererklärung im November 2019 ab. Er übermittelte ferner ein Wertgutachten vom 25.11.2016 auf den Todestag von Frau F. C., erstellt vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis M und der Stadt E-Stadt. Der Beklagte wies im Verwaltungsverfahren darauf hin, dass das Gutachten wegen des abweichenden Stichtags nicht zugrunde zu legen sei.
Am 17.03.2020 erließ der Beklagte einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 00.00.2019 für Zwecke der Erbschaftsteuer. Darin stellte er den Wert der wirtschaftlichen Einheit (Grundbesitzwert) im Sachwertverfahren auf 270.083 EUR und den übertragenen Anteil am Grundbesitzwert auf 135.041 EUR fest.
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch und brachte ein Wertgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis M und der Stadt E-Stadt vom 07.08.2020 auf den Stichtag 00.00.2019 bei. Den Verkehrswert des Volleigentums ermittelte der Gutachterausschuss ausgehend von einem Bodenwert von 162.750 EUR (651 qm × 250 EUR/qm), abzüglich Abrisskosten von 12.850 EUR, mit 150.000 EUR. Den Verkehrswert des hälftigen Miteigentumsanteils am streitgegenständlichen Grundstück bezifferte der Gutachterausschuss mit 60.000 EUR. Hierzu führte er aus, vom rechnerischen Anteil am Verkehrswert müsse im Wege der Marktanpassung ein Abschlag von rund 20 v. H. vorgenommen werden, weil der Erwerb eines Miteigentumsanteils für Dritte mit erheblichen Risiken verbunden sei (eingeschränkte Verfügungsgewalt etc.). Vor dem Hintergrund bestehender Erfahrungen aus Zwangsversteigerungsverfahren und Beleihungswertgrenzen gehe der Gutachterausschuss sachverständig von einem Abschlag in Höhe von etwa 20 v. H. aus.
Der Kläger legte hierzu ferner ein Schreiben des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis M und der Stadt E-Stadt vom 10.11.2020 vor, in dem dieser die Gründe für den Marktanpassungsabschlag von 20 v. H. für den Miteigentumsanteil weiter erläutert. Bewertungsanlässe für Miteigentum an Grundstücken seien selten, Verkäufe von Miteigentum noch seltener. Eigentumsübertragungen würden zumeist über Teilungsversteigerungen mit entsprechenden Wertabschlägen vorgenommen. Der Gutachterausschuss erhalte Mitteilungen über die Zuschläge im Zwangsversteigerungsverfahren, aus denen ersichtlich sei, dass der Zuschlag bei ausgeglichenen Märkten häufig bei 50 v. H. bis 60 v. H. des ermittelten Verkehrswertes liege. Derzeit sei in weiten Bereichen ein Verkäufermarkt gegeben, in dem die Zuschläge auch über dem Verkehrswert liegen könnten. Es sei aber nicht bekannt, ob in diesen Fällen bei der Ableitung des Verkehrswertes ein Sicherheitsabschlag angebracht worden sei, weil der Sachverständige das Objekt nicht von innen habe besichtigten dürfen. Derzeit erfolgten die Zuschläge in einem Rahmen von 50 v. H. bis 120 v. H. des Verkehrswertes. Die Beleihungsgrenzen der Banken für Immobilien lägen zwischen 42 v. H. bis 64 v. H. des Verkehrswertes, d.h. es würden Abschläge vom Verkehrswert in Höhe von 36 v. H. bis 58 v. H. vorgenommen. Sprengnetter beschreibe in einem Fachaufsatz (immobilien & bewerten 02/2018), es seien ihm erst 4 freihändig ausgehandelte Kaufverträge über Miteigentumsanteile bekannt geworden. Deren Wertabschlag habe im Mittel bei 27 v. H. gelegen. Eine Expertenbefragung habe einen durchschnittlichen Abschlag von 18 v. H. ergeben.
In der Einspruchsentscheidung vom 06.04.2021 änderte der Beklagte die W...