Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung gem. § 71 AO
Nachgehend
Tenor
Der Haftungsbescheid vom 15.3.1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.9.1995 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (Bekl.) den Kläger (Kl.) zu Recht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung … von … Einkommensteuer(ESt)-Vorauszahlungen in Haftung genommen hat.
Der Kl. war seit dem Jahre 1983 – abgesehen von einer kurzen Unterbrechung im Jahre 1986 – bis zu seiner Verhaftung im Januar 1991 als Geschäftsführer von zunächst einem Imbißbetrieb, später mehrerer Imbißbetriebe des Steuerpflichtigen …tätig.
Durch Urteil der 10. Großen Strafkammer des Landgerichts … vom 04.06.1991 – 10 Kls 35 Js 228/90 – wurde zum einen der Steuerpflichtige … wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer (USt) in den Jahren 1985–1990 und Hinterziehung von ESt in den Jahren 1985–1988 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten, zum anderen der Kl. wegen dazu geleisteter Beihilfe zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jähren und 6 Monaten verurteilt.
Der Verurteilung lagen u.a. folgende Feststellungen zugrunde:
Der Steuerpflichtige … betrieb seit 1980 die Firma … in … Darüber hinaus lag ihm daran, zur Absicherung seiner finanziellen Situation eine weitere Einnahmequelle zu finden. Er erwarb daher im Jahre 1983 einen Imbißbetrieb in …. Da er jedoch neben dem Imbißbetrieb die Firma …weiterführen wollte, bemühte er sich, für den Imbißbetrieb einen geeigneten Geschäftsführer zu finden. Bei dieser Suche lernte er den Kl. kennen, der in unmittelbarer Nachbarschaft bereits einen Imbißstand betrieb.
Schon bei den ersten, zwischen dem Steuerpflichtigen … und dem Kl. geführten Gesprächen wurde dem Kl. klar, auf welche Art und Weise der Steuerpflichtige … seinen Imbißstand geführt wissen wollte. Denn im Rahmen von Vorgesprächen mit Betreibern anderer Imbißbetriebe und bei der Suche nach einem geeigneten Geschäftsführer hatte der Steuerpflichtige … erfahren, daß es im Imbißgeschäft möglich war, durch „Schwarzeinkäufe” von Waren „Schwarzumsätze” zu machen.
Diese Vorstellungen wurden sodann von dem Steuerpflichtigen … im Zusammenwirken mit dem Kl. auch in die Tat umgesetzt. Hierfür traf der Steuerpflichtige … mit verschiedenen Lieferanten Vereinbarungen, nach denen nur über etwa die Hälfte der gelieferten Waren ordnungsgemäße Rechnungen ausgestellt wurden.
Nach Absprache und mit Wissen des Steuerpflichtigen … übergab der Kl. nur die ordnungsgemäßen Rechnungen und die daraus folgenden Umsätze dem Steuerberater zur Verbuchung, der, ohne es zu wissen, so falsche Erklärungen gegenüber dem Bekl. abgab. Dabei war sowohl dem Steuerpflichtigen … wie auch dem Kl. klar, daß der Steuerpflichtige … als Inhaber der Imbißbetriebe zur ordnungsgemäßen Anmeldung sämtlicher getätigten Umsätze gegenüber dem Bekl. verpflichtet war. Tatsächlich wurden aber bereits in den Monatserklärungen lediglich die offiziell getätigten Umsätze über den Steuerberater angemeldet. Die jeweils abgegebene Jahresumsatzsteuererklärung basierte dann auf den monatlichen Voranmeldungen.
Dies führte in den Jahren 1985–1990 zu einer USt-Verkürzung i.H.v. ca. 260.000,00 DM. Zudem entschloß sich der Steuerpflichtige … – wie auch dem Kl. bekannt war – bei Abgabe seiner jeweiligen ESt-Erklärung die durch die Schwarzeinkäufe und – umsätze erzielten Gewinne auch bei seiner ESt-Erklärung nicht anzugeben, was in den Jahren 1985–1988 zu einer ESt-Verkürzung i.H.v. ca. 500.000,00 DM führte.
Der Umfang dieser USt- und ESt-Verkürzung war sowohl dem Steuerpflichtigen … als auch dem Kl. bekannt. Dem Steuerpflichtigen … war bewußt, daß er als Inhaber der Imbißbetriebe zur ordnungsgemäßen USt-Abführung verpflichtet war und daß er dieser Pflicht in dem aufgezeigten Umfang nicht nachkam. Auch die Tatsache, daß er jeweils in den Jahren 1985–1988 nicht sämtliche seiner Einnahmen bei der ESt-Erklärung angab und in welchem Umfang dies geschah, war ihm bewußt. Er nahm beides aber in Kauf, um die durch die Schwarzumsätze getätigten Einnahmen keiner irgendwie gearteten Steuer unterwerfen zu müssen.
Dem Kl. war klar, daß der Steuerpflichtige … sowohl die USt wie auch die ESt nicht ordnungsgemäß abführte. Ihm war auch klar, daß er durch seine Tätigkeit in den Imbißbetrieben zu diesen Steuerverkürzungen des Steuerpflichtigen … Hilfe leistete. In Kenntnis dieser Umstände führte er seine Handlungen durch, da er sein lukratives Geschäftsführergehalt nicht verlieren wollte.
Am 17.01.1991 wurde zunächst der Steuerpflichtige … und am 23.01.1991 der Kl. verhaftet.
Am 29.03.1990 hatte der Steuerpflichtige … seine ESt-Erklärung für 1988 beim Bekl. abgegeben.
Aufgrund dieser Erklärung wurde die ESt für 1988 durch Bescheid vom 21.06.1990 auf 9.400,00 DM festgesetzt. Mit Bescheid vom gleichen Tage wurden zudem die ESt-Vorauszahlungen für 1990, die durch Bescheid vom 20.06.1989 bisher auf 3.310,00 DM pro Quartal festg...