rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einreichung der Steuererklärung nach Erlass eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Schätzungsbescheides gilt nicht als Einspruch
Leitsatz (redaktionell)
Geht nach Erlass eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Schätzungsbescheides noch innerhalb der Einspruchsfrist beim Finanzamt die Steuererklärung ohne weitere Erläuterungen ein, ist dies nicht als Einspruch zu werten, sondern als Antrag nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO auf Aufhebung oder Änderung des Schätzungsbescheides.
Normenkette
AO § 351 Abs. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 164 Abs. 2 S. 2, Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob bei einer Vorbehaltsveranlagung (Schätzungsfall) die innerhalb der Einspruchsfrist ohne weitere Erklärung eingereichte Steuererklärung als Einspruch oder als Antrag nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO zu werten ist.
Die Klägerin ist Lehrerin und erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 1998 schätzte das damals zuständige Finanzamt 1 A (jetzt 1 B) die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Bescheid vom 27.09.2000 die Einkommensteuer 1998 auf 7.259 DM fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 Abs. 1 AO.
Am 13.10.2000 reichte die Klägerin die Einkommensteuererklärung 1998 ein. Die Steuererklärung enthielt keine Angaben zu Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen außerdem waren in der Anlage N keine Angaben zu den Werbungskosten enthalten. Der Steuererklärung lag ein Anschreiben der Klägerin vom 13.10.2000 bei. Darin hieß es: ,,... wie bereits vor Ablauf des letzten Ultimatums telefonisch und am 31.08.2000 ihnen schriftlich angekündigt, reiche ich hiermit meinen Lohnsteuerjahresausgleich für 1998 ein, wobei Belege zur Anlage N und zum Hauptantrag (gemeint war damit der 4-seitige Mantelbogen der Einkommensteuererklärung) nachgereicht werden." Wegen des zwischenzeitlich erfolgten Wohnsitzwechsels der Klägerin nach Ooo (Finanzamtsbezirk 2) wurde die Steuererklärung für 1998 ohne Auswertung zwischen den Finanzämtern 2 und 1 A (jetzt 1 B) hin- und hergesandt.
Mit Bescheid vom 23.10.2001 hob das Finanzamt 2, der nunmehrige Beklagte, den Vorbehalt der Nachprüfung auf, § 164 Abs. 3 AO, ohne sich mit der zwischenzeitlich eingereichten Einkommensteuererklärung 1998 auseinander zu setzen. Nachdem das Finanzamt erkannt hatte, dass die am 13.10.2000 eingereichte Steuererklärung für 1998 bei der Vorbehaltsaufhebung am 23.20.2001 nicht berücksichtigt wurde (vgl. handschriftlichen Vermerk auf dem Deckblatt der Einkommensteuererklärung, der Grundlage für den Berichtigungsbescheid nach § 129 AO war) erließ es am 14.01.2002 einen Berichtigungsbescheid (§ 129 AO), in dem es das Übersehen der bereits vorliegenden Einkommensteuererklärung als offenbare Unrichtigkeit wertete und setzte die Einkommensteuer 1998 auf 4.000,35 € (entspricht 7.824 DM) fest. In den Erläuterungen war dazu ausgeführt: "Die Steuererklärung 1998 wurde am 06.12.2001 vom Finanzamt 1 B an das Finanzamt 2 übersandt und umgehend bearbeitet... Dieser Bescheid änderte den Bescheid vom 23.10.2001."
Der vom nunmehrigen Klägervertreter für die Klägerin eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg, weil er trotz wiederholter Aufforderung nicht begründet wurde.
Ihre Klage begründet sie, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, wie folgt:
Beim Finanzamt sei am 19.10.2000, also noch innerhalb der Einspruchsfrist gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 27.09.2000 eine, wenn auch unvollständig ausgefüllte, Steuererklärung eingegangen. Die Einreichung der Steuererklärung hätte vom Finanzamt als Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 27.09.2000 ausgelegt werden müssen. Über diesen Einspruch habe das Finanzamt bis heute noch nicht entschieden, so dass im Rahmen der im Einspruchsverfahren erforderlichen Gesamtaufrollung des Falles (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO) eine Steuerfestsetzung zugunsten der Klägerin entsprechend der nun im Klageverfahren eingereichten Steuererklärung in Höhe von 1.692,99 € (entspricht 3.311 DM) möglich wäre. Hierzu verweist der Prozessbevollmächtigte auf das BFH-Urteil vom 27.02.2003 V R 87/01, BStBl. 11 2003, 505. Danach ist eine innerhalb der Einspruchsfrist beim Finanzamt eingereichte Steuererklärung im Zweifel als Einspruch und nicht als schlichter Antrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO auf Änderung des Schätzungsbescheids anzusehen.
Das Finanzamt trägt demgegenüber vor, aufgrund der Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO könne die Einkommensteuer 1998 nicht unter den Betrag von 7.259 DM festgesetzt werden. Nach § 351 Abs. 1 AO könnten Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte änderten, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reiche, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung oder Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergebe. Der Bescheid vom 23.10.2001, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden sei, sei von der Klägerin nicht angefochten geworden. Die damit bestandkrä...