Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtangabe einer Kunstsammlung mit erheblichen Wert bei Erklärung der Schenkung eines Einfamilienhauses mit Zubehör und Inventar - Ablauf der Festsetzungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch unvollständige Angaben sind regelmäßig unrichtige Angaben, weil die Erwartung der Vollständigkeit geschützt wird. Eine unvollständige Angabe liegt vor, wenn eine Erklärung im Rechtsverkehr so gewertet wird, dass sie zu einem bestimmten Sachzusammenhang eine vollständige Aussage enthält. Das Verschweigen von Tatsachen hat dann den positiven Erklärungswert, dass weitere, zu offenbarende Tatsachen nicht vorhanden sind.
2. Die Erklärung der Schenkung eines Einfamilienhauses mit Zubehör und Inventar und alle weiteren im Haus befindlichen beweglichen Gegenstände ist unvollständig, wenn das Inventar eine umfangreiche Kunstsammlung mit erheblichem Wert umfasst.
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 1, § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4a, § 16
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Erlass des Schenkungsteuerbescheids vom 19.05.2015 der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegensteht.
Mit notariell beurkundetem Überlassungsvertrag vom 14.06.2006 (URNr. xxx des Notars Z, 2) überließ Y unter 2. Überlassung den Grundbesitz FlNr. xxx/4, xxx/9 und xxx/8 des Grundbuchs des Amtsgerichts 1 für A-Stadt Band xx Blatt xxxx, bestehend aus A-Straße; Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum, Gartenland sowie Gebäude und Freifläche zu gesamt xxxx qm, "mit allen Bestandteilen und eventuellem Zubehör sowie den gesamten in dem Wohnhaus befindlichen Inventar und auch alle weiteren in dem Wohnhaus befindlichen beweglichen Gegenständen in ihrer Sachgesamtheit" an seine Ehefrau, die Klägerin, zum Alleineigentum. Weiter heißt es: "Auf Einzelaufführung der mitüberlassenen Gegenstände wird von den Vertragsteilen ausdrücklich verzichtet, da hiervon sämtliche Gegenstände in dem Wohnhaus in ihrer Gesamtheit betroffen sind."
Nach 3. Gegenleistung und Vereinbarung a) handelte es sich um eine ehebedingte Zuwendung zur Herstellung einer zweckmäßigen ehelichen Vermögensordnung. Gemäß 3. Gegenleistung b) verpflichtete sich die Klägerin, die aufgeführten Grundstücke an eines oder mehrere Kinder des Herrn Y, die im Einzelnen benannt werden, herauszugeben und zu Eigentum zu übertragen. Den Übergabezeitpunkt konnte die Klägerin nach freiem Ermessen bestimmen; die Übergabe hatte jedoch spätestens mit ihrem Ableben zu erfolgen. Ausdrücklich festgestellt wurde hierzu, "dass sich diese Übertragungsverpflichtung nicht auf das mitübergebene Inventar und die sonstigen in dem Anwesen befindlichen beweglichen Gegenstände bezieht, sodass Frau A. hierüber nach dem Ableben von Herrn Y unbeschränkt verfügen kann."
Wegen der weiteren Regelungen des Überlassungsvertrags wird auf diesen im Einzelnen verwiesen.
Die Abschrift des Überlassungsvertrags ging am 19.06.2006 beim Finanzamt ein. Im Anschreiben des Notariats ist der Wert, der der Kostenberechnung zugrunde liegt, mit 600.000 € angegeben. Das Finanzamt forderte mit an die Klägerin adressiertem Schreiben vom 27.07.2006 diese zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf. Mit dem Hinweis, sie seien bis einschl. 16.09.2006 verreist, wurde für die Klägerin in einer vom Ehemann der Klägerin auf der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung verfassten und gezeichneten Notiz Fristverlängerung bis zum 15.10.2006 erbeten.
Steuerberaterin W aus der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten rief nach Erhalt der Aufforderung vom 27.07.2006 den Ehemann der Klägerin an, worauf dieser ihr mitteilte, dass er seiner Frau sein Einfamilienhaus geschenkt und der Notar ihm gesagt habe, dass keine Schenkungsteuer zu erwarten sei.
Hiernach kam es zum telefonischen Kontakt zwischen der Bearbeiterin in der Schenkungsteuerstelle des beklagten Finanzamts, Frau V und Frau W. In der Schenkungsteuerakte des Finanzamts trägt das Schreiben vom 27.07.2006 mit der Notiz des Ehemanns der Klägerin den handschriftlichen Vermerk der Bearbeiterin des Finanzamts "= ehebedingte Zuwendung stfrei 13 I 4a Tel. 471518 Fr. W tel. verst." mit Namenszeichen und Stempelaufdruck 11. AUG 2006.
Mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 14.08.2006 teilte das Finanzamt dieser mit: "für Ihren Erwerb aus der Zuwendung des Herrn Y, wohnhaft in A-Stadt, A-Straße, zum 14.06.2006 (Überlassungsvertrag) ist nach den eingereichten Unterlagen eine Schenkungsteuer nicht festzusetzen."
Am 15.03.2014 verstarb der Ehemann der Klägerin. Dem Finanzamt wurde am 14.10.2014 im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuererklärung eine im Auftrag der Klägerin durchgeführte gutachtliche Schätzung des gemeinen Werts gem. § 9 Bewertungsgesetz (BewG) der Kunstwerke und Antiquitäten im vormaligen Eigentum des Herrn Y, erworben vor dem Stichtag 14. Juni 2006, des Gutachters U vom 03.09.2014 vorgelegt. Der Gutachter hatte als Summe der Einzelwerte einen Betrag von 993.540 € ermittelt. Die Kunstsammlung umfasst Plastiken, Möbel, Bilder sowie (figürliches) Porzellan.
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