Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Änderung einer Steuerfestsetzung bei Festsetzungsverjährung
Leitsatz (redaktionell)
Die Pflicht zur Überprüfung einer bestandskräftigen Entscheidung endet mit Eintritt der Festsetzungsverjährung, denn ab diesem Zeitpunkt ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr möglich.
Normenkette
AO § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Umsatzsteuerbescheid 1997 geändert werden kann.
Der Kläger ist Krankengymnast und betrieb im Streitjahr eine Praxis für Krankengymnastik in A. und ein Therapiezentrum für Massage und Krankengymnastik in B. . In seinen am 13.11.1998 beim Finanzamt eingereichten Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 1997 ging er im Wesentlichen von gem. § 4 Nr. 14 UStG steuerfreien Lieferungen und sonstigen Leistungen aus und errechnete eine Umsatzsteuerzahllast von ....... DM (A. ) bzw. ....... DM (B. ). Das Finanzamt fasste beide Umsatzsteuererklärungen, die mit Eingang beim Finanzamt als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 168 Satz 1 AO gelten, zusammen, so dass sich eine Umsatzsteuer 1997 in Höhe von ......... DM ergab.
Am 09.12.1998 fand beim Kläger eine Umsatzsteuerprüfung statt. Der Prüfer war der Auffassung, dass die Umsätze aus dem Therapiezentrum in B. umsatzsteuerpflichtig seien, weil der Kläger insoweit keine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit ausgeübt habe. Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am 31.08.1999 einen gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid 1997, in dem es die Umsatzsteuer auf ......... DM festsetzte. Gleichzeitig hob es den Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 3 AO auf.
Mit Schreiben vom 10.07.2001 beantragte der steuerliche Vertreter des Klägers, auf die Umsätze des Therapiezentrums in B. den ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG anzuwenden und den Umsatzsteuerbescheid 1997 entsprechend zu ändern. Das Finanzamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.07.2001 ohne Rechtsbehelfsbelehrung ab und verwies darauf, dass die Festsetzung 1997 bereits bestandskräftig sei. Ein Einspruch wurde nicht erhoben.
Am 22.01.2002 erging ein aufgrund Betriebsprüfung gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderter Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1997. Die Umsatzsteuerfestsetzung betrug wie bisher ......... DM. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 06.02.2002 Einspruch und trug zur Begründung vor, dass die Umsätze aus seiner Praxis in B. nicht dem Regelsteuersatz, sondern dem ermäßigten Steuersatz unterlägen.
Das Finanzamt teilte dem Kläger mit Schreiben vom 01.03.2002 mit, dass sein Einspruch mangels Beschwer i.S.d. § 350 AO unzulässig sei, weil der Bescheid vom 22.01.2002 die Steuerfestsetzung nicht geändert habe. Der Kläger nahm daraufhin den Einspruch mit Schreiben vom 15.03.2002 zurück.
Mit Schreiben vom 31.03.2004 beantragte der steuerliche Vertreter des Klägers unter Hinweis auf den Einspruch vom 06.02.2002, die Umsatzsteuerfestsetzungen 1997 und 1998 aufzuheben und die gezahlte Umsatzsteuer zurückzuerstatten. Hierbei verwies er auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG-Beschluss vom 29.10.1999 2 BvR 1264/90, BStBl. II 2000, 155) und des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 19.12.2002 V R 28/00, BStBl. II 2003, 532) sowie auf die zugrundeliegenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Leistungen des Klägers nicht umsatzsteuerpflichtig seien.
Das Finanzamt lehnte mit Schreiben vom 03.05.2004 eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1997 mit der Begründung ab, dass diese bereits bestandskräftig sei, denn der Einspruch vom 06.02.2002 sei mit Schreiben vom 15.03.2002 zurückgenommen worden.
In seinem Schreiben vom 21.05.2004 verwies der steuerliche Vertreter darauf, dass eine Verwaltungsbehörde verpflichtet sei, auch bestandskräftige Entscheidungen zu überprüfen. Dies gelte insbesondere, wenn sich aus einem später erlassenen Urteil des EuGH ergebe, dass die Entscheidung auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhe (EuGH-Urteil vom 13.01.2004 C - 453/00, HFR 2004, 488). Die Behörde sei gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, ihre Entscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gericht vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen. Gegebenenfalls sei sie verpflichtet, ihre Entscheidung zurückzunehmen. Auch eine Änderung gem. § 175 a AO bzw. § 172 AO käme in Betracht. Das Finanzamt wertete das Schreiben als Einspruch gegen die mit Schreiben vom 03.05.2004 erfolgte Ablehnung des Änderungsantrags hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung 1997 vom 22.01.2002.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 31.08.1999 bzw. 22.01.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.12.2004 aufzuheben. Hilfsweise sei der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03.05.2004 und...