Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Umsatzsteuerfreiheit ärztlicher Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG
Leitsatz (amtlich)
Lediglich medizinisch indizierte, d.h. zur Behandlung/Heilung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung gebotene, insbesondere also nicht aus rein oder ganz überwiegend ästhetischen Gründen vorgenommene ärztliche Leistungen führen zur Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14; Richtl 77/388 EG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im folgenden: Rechtsvorgängerin) erzielten Umsätze nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei sind.
Die Rechtvorgängerin betrieb in den Streitjahren - lt. ihrer Satzung - ein Institut für biomedizinische Gesundheit, ganzheitsmedizinische Anwendungen, Vitalisierungsprogramme und Naturheilverfahren. Dabei führte sie durch approbierte Ärzte u. a. Fettabsaugungen, Liftings, Augenlidkorrekturen, Brustvergrößerungen und -verkleinerungen sowie - straffungen und laserchirurgische Eingriffe zur Beseitigung von Warzen, Muttermalen, Narben, Falten usw. durch (vgl. hierzu auch die Leistungsbeschreibungen der Klägerin im Internet, Bl. 47 ff Sonderakten) und vertrieb Diätverpflegung. Mit notariellem Vertrag vom 28. Dezember 2000 war sie formwechselnd in die Klägerin umgewandelt worden. Die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte im Dezember 2001.
Für die Streitjahre 1991 bis 1993 und 1995 bis 1998 waren die o. g. Leistungen sowohl von der Rechtvorgängerin lt. deren Umsatzsteuererklärungen als auch vom Finanzamt als umsatzsteuerpflichtig behandelt worden. Soweit das Finanzamt von den Angaben in den Steuererklärungen abgewichen war, standen die entsprechenden Umsatzsteuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Sämtliche Bescheide bzw. einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehenden Steueranmeldungen für 1991 bis 1993 und 1995 bis 1998 wurden bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 1996 (Bl. 6 USt-Akten 1996) beantragte die Rechtsvorgängerin unter Hinweis auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichtes vom 09. Mai 1996, V 17/95, die Umsatzsteuerfestsetzungen 1991 bis 1994 sowie die Voranmeldungen für Januar bis Oktober 1996 aufzuheben und die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgte Veranlagung zur Umsatzsteuer 1995 entsprechend diesem Urteil durchzuführen. Die Entscheidung über den Antrag wurde im Einverständnis mit der Rechtsvorgängerin bis zum Abschluss des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens IX R 53/96, in dem über die Frage, ob ärztliche Leistungen einer GmbH nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit sind, zu entscheiden war, zurückgestellt. Mit weiterem Schreiben vom 19. Juni 2000 (Bl. 1 ff Sonderakten) beantragte die Rechtsvorgängerin wiederum die Aufhebung der bis dahin vorliegenden Umsatzsteuerfestsetzungen, d. h.: der Festsetzungen für 1991 bis 1998 sowie der Umsatzsteuervoranmeldungen 1999. Sie bezog sich dabei auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 23. November 1999, 2 BvR 2861/93, mit dem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hatte, dass das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG eine allein nach der Rechtsform eines Unternehmers unterscheidende Umsatzsteuerbefreiung verbietet. Sie stellte sich darüber hinaus auf den Standpunkt, nach Abschnitt 88 Abs. 2 UStR seien die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt steuerfrei. Darunter sei die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung Arzt zu verstehen. Zur Ausübung der Heilkunde gehörte jede Maßnahme, die der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen diene sowie Leistungen der vorbeugenden Gesundheitspflege. Von der Steuerbefreiung seien deshalb lediglich die schriftstellerische Tätigkeit, die Vortragstätigkeit, die Lehrtätigkeit sowie die Lieferung und der Verkauf von Hilfsmitteln und Medikamenten und die entgeltliche Nutzungsüberlassung von medizinischen Geräten ausgenommen, nicht jedoch die Schönheitschirurgie. Auch nach dem Urteil des EuGH, Az.: C-384/98 vom 14.09.2000, HFR 2000, 918 führe die Klägerin ärztliche Tätigkeiten aus.
Das Finanzamt vertrat demgegenüber - einer in 2000 für die Jahre 1991 bis 1999 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung folgend - die Auffassung, bei den von der Rechtsvorgängerin durchgeführten Behandlungen handele es sich gerade nicht um Heilbehandlungen i. S. d. o. g. EuGH-Urteils. Insbesondere könne dieser Entscheidung nicht entnommen werden, dass Behandlungen durch Ärzte ganz allgemein zur Steuerfreiheit führten. Soweit eine solche Auffassung im Schlussantrag des Generalanwaltes zitiert werde, handele es sich lediglich um eine im Rahmen des EuGH-Verfahrens vorgebrachte Rechtsauffassung. Neben den Erlösen aus Behandlungsleistungen würden auch Umsätze aus dem Verkauf von Diätpräparaten erzielt und Diätberatungen durchgeführt. Die Erlöse hieraus unterlägen dem ermäßigten Steuersatz.
Dementsprechend lehnte das Finanzamt...