Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschaffung der Verfügungsmacht bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung
Leitsatz (amtlich)
Zur Verschaffung der Verfügungsmacht durch Besitzkonstitut sind bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung objektive Anhaltspunkte für eine Änderung des Besitzwillens in den Vorstellungen des mittelbaren und unmittelbaren Besitzers erforderlich, wenn bei diesen Personenidentität besteht.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1, 3; UStDV §§ 17a, 17c; MwStSystRL Art. 131, 138 Abs. 1, Art. 139
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung.
Die Klägerin wurde mit Vertrag vom 21. Februar 2007 und einem Stammkapital von 25.000 € von den Gesellschaftern A und B gegründet und ist mit der Vermietung von und dem Handel mit Autokränen unternehmerisch tätig. Der Gesellschafter B war bis zu seiner Ablösung im Mai 2009 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer.
In den Jahren 2011-2014 fand bei der Klägerin eine Betriebs– und Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 2007-2009 im Rahmen von Prüfungen bei verschiedenen Firmen der sog. C-Gruppe statt, welche wesentlich von C geführt wurde und die in großem Umfang mit Autokränen handelte. Neben der Klägerin gehören auch die Firmen D, E, F und die G S.A. in Luxemburg –SA- zu der C-Gruppe. Bei der Prüfung wurde u.a. festgestellt, dass ein Kran Grove GMK mit Rechnung vom 17. Dezember 2008 von der D über 930.000 € fakturiert und am 23. Dezember 2008 mit der Lieferadresse Bremer Logistikzentrum, Bremen, ausgeliefert worden sei. Mit Rechnung vom 17. Dezember 2008 und dem Lieferzusatz "Übernahme Kran im November in P" habe die D den Kran zum Einkaufspreis an die E weiterverkauft. In einer weiteren Rechnung vom 17. Dezember 2008 habe diese gegenüber der Käuferin eine Provision über 5.000 € abgerechnet. Mit Rechnung vom 24. April 2009 und dem Lieferdatum März 2009 habe die E den Kran für 920.000 € an die Klägerin weiterverkauft. Die Klägerin habe mit Rechnung vom 15. März 2009 und dem Vermerk "Lieferung März 2009" den Kran für 950.000 € an die SA veräußert. Laut einer Abnehmerbestätigung vom 15. März 2009 sei das Fahrzeug nach Luxemburg zur SA verbracht worden. Mit Rechnung vom 9. Februar 2009 und dem Lieferdatum März 2009 habe die SA den Kran bereits für 1,17 Mio. € an die I in Dubai verkauft gehabt. Die Lieferung des Krans habe die Klägerin als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg an die SA erklärt, ohne dass ein Verbringen des Krans nach Luxemburg nachgewiesen sei. Vielmehr ergebe sich nach den Feststellungen der Steuerfahndung und Betriebsprüfung, dass sich der Kran im Inland befunden habe. Der Kran sei im Zeitraum vom 6. Januar 2009 bis zum 6. April 2009 auf die ST mit dem Kennzeichen … zugelassen gewesen; eine Zulassung in Luxemburg liege nicht vor. Der Kran sei am 17. März 2009 von der SA beim Zollamt K (Deutschland) zur Ausfuhr angemeldet und am 18. März 2009 durch die Firma T nach Antwerpen verbracht worden. Steuerfahndung und Betriebsprüfung waren daher der Auffassung, dass die Lieferung im Inland steuerpflichtig sei (…).
Der Beklagte folgte der Auffassung der Steuerfahndung und Betriebsprüfung und änderte die Umsatzsteuerfestsetzung für 2009 mit Bescheid vom 14. November 2014. Die Umsatzsteuerfestsetzung 2009 wurde nochmals aus Gründen, die nicht Gegenstand der Klage sind, mit Bescheiden vom 13. Juni 2016 und vom 11. August 2016 geändert.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, der Kran GMK sei am 15. März 2009 von O nach Luxemburg verbracht worden. Diese Fahrt dauere ca. 90 Minuten, bei schlechter Verkehrslage vielleicht 2 Stunden. Dort sei für den Kran eine Abnahme vor dem Weiterverkauf erfolgt und nach der Abnahme sei der Kran zurück nach O gebracht und dort dem Spediteur zum Weitertransport nach Dubai übergeben worden. Es sei viel zu aufwendig und kostspielig gewesen, das Fahrzeug abzumelden und später wieder anzumelden, nur weil man dazwischen nach Luxemburg und kurze Zeit darauf wieder zurück nach Deutschland gefahren sei. Deshalb sei das Zulassungsdatum nicht als Nachweis für einen Verbleib im Inland geeignet. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass eine Abnehmerbestätigung (s. Empfangsbescheinigung vom 15. März 2009, …) vorliege.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2016 zurückgewiesen, da die Klägerin den Nachweis für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch mit der Empfangsbescheinigung nicht erbracht habe und die tatsächlichen Umstände gegen eine solche innergemeinschaftliche Lieferung sprächen.
Die Klägerin trägt vor, die Notwendigkeit des Transports des Krans GMK nach Luxemburg sei den wirtschaftlichen Gründen geschuldet gewesen. Der Kran habe in Hinblick auf die Herstellervorgaben nicht durch eine deutsche Firma vermarktet werden dürfen, was durch die beigefügten Bestätigungen belegt werde (…). Diese Bedingungen seien auch durch die Firma Grove faktisch vorgegeben gewesen...