Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastung: Zum Nachweisumfang bei dem Austausch unweltbelasteten Hausrats. Aufwendungen für ein Schlafzimmer als außergewöhnliche Belastung. Einkommensteuer 1995
Leitsatz (redaktionell)
(1) Als Ausnahme zu den Grundsätzen der Gegenwertlehre sind Aufwendungen für den Austausch umweltbelasteten Hausrats steuerlich als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG berücksichtigungsfähig, wenn der Nachweis der auf die auszutauschenden Hausratgegenstände zurückzuführenden Erkrankung mindestens durch ein ärztliches Attest geführt wird.
(2) Eines amtsärztlichen Attestes bedarf jedenfalls dann nicht, wenn das ärztliche Attest durch eine Universitätsklinik ausgestellt wird.
Orientierungssatz
1. Aufwendungen für die Neuanschaffung eines schadstofffreien Bio-Schlafzimmers wegen einer chronischen Nasennebenhöhlenerkrankung als Ersatz für formaldehydverseuchte Möbel sind als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen wenn ein ärztliches Attest und ein Nachweis einer Umweltbelastung vorgelegt werden. Ein amtsärztliches Attest ist nicht erforderlich. Unerheblich ist auch, wenn die Werte der Umweltbelastung den Grenzwert nur unwesentlich überschreiten. Entscheidend ist die Tatsache der Umweltbelastung und ihre Auswirkung auf die Gesundheit.
2. Nach Nichtzulassungsbeschwerde (Az. des BFH: III B 41/99) Revision eingelegt (Az. des BFH: III R 52/99).
Normenkette
EStG § 33; EStG 1990 § 33
Nachgehend
Tenor
I. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 1996 wird der Einkommensteuerbescheid 1995 vom 17. April 1996 dahingehend geändert, dass weitere 26.843,50 DM als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1995 als außergewöhnliche Belastung Aufwendungen für die Neuanschaffung eines Schlafzimmers in Höhe von 26.843,00 DM geltend. Sie begründeten die Notwendigkeit der Auswechslung mit der chronischen Nasennebenhöhlenerkrankung der Klägerin, die auf formaldehydverseuchte Möbel zurückzuführen sind. Der Beklagte berücksichtigte die Aufwendungen nicht. Auch der Einspruch der Kläger hatte keine Erfolg.
Mit der Klage machen die Kläger geltend: Eine Besserung der Krankheit der Klägerin sei nur durch den Austausch der Möbel eingetreten. Die medizinische Notwendigkeit sei mit den Attesten der Hausärztin und der Universität … und den Meßergebenissen des Labors … nachgewiesen. Zwar sei das Attest nach Anschaffung der Möbel erstellt worden, aber der BFH habe bereits entschieden, dass auch ein nachträglich erstelltes amtsärztliches Attest, das auf den Unterlagen der behandelnden Ärzte basiere, als Nachweis anerkannt werden könne. Eines amtsärztlichen Attestes habe es nicht bedurft, weil seit Jahren bekannt sei, dass bei Formaldehydausgasungen nur eine komplette Sanierung eine Linderung der Krankheitsbeschwerden mit sich bringe. Auch die Frage des Gegenwertes spiele keine entscheidungserhebliche Rolle, da das vor 10 Jahren angeschaffte Schlafzimmer noch voll tauglich gewesen sei. Ein Gegenwert sei aber nur dann anzunehmen, wenn Gegenstände angeschafft würden, die nicht auf die speziellen Bedürfnisse des Erkrankten zugeschnitten seien. Das neu angeschaffte Schlafzimmer sei aber auf die Bedürfnisse der Klägerin zugeschnitten gewesen. Denn mit biologischen Holzschutzmitteln behandelte Massivholzmöbel würden nicht ohne weiteres von anderen (gesunden) Steuerpflichtigen angeschafft, weil sie im Vergleich zu anderen Möbeln entschieden teurer und zudem an der Oberfläche nicht so beständig gegen Beschädigungen seien. Eine Entseuchung der alten Möbel sei nicht möglich gewesen.
Die Kläger stellen den Antrag,
unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1995 vom 17. April 1996 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 1996 im Einkommensteuerbescheid 1995 zusätzlich DM 26.843,50 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus: Die Berücksichtigung der Aufwendungen könne nicht erfolgen, weil nicht vor der Anschaffung ein amtsärztliches Zeugnis eingeholt worden sei. Das vorgelegte Meßergebnis könne überdies nicht zur Anerkennung führen, weil es nur unwesentlich über dem angegebenen Toleranzwert liege. Die Berücksichtigung scheitere aber auch an der sog. Gegenwerttheorie. Es handele sich um ein normales Schlafzimmer, das lediglich aus schadstofffreien Materialien hergestellt worden sei. Solche Aufwendungen würden zunehmend auch von Gesunden getätigt. Auch von einem verlorenen Aufwand in Gestalt des ersetzten Gegenstandes könne nicht gesprochen werden. Bei einer Nutzungsdauer von 13 Jahren und der Tatsache, dass das alte Schlafzimmer auf dem Sperrmüll entsorgt worden sei, könne man davon ausgehen, dass ein Restwert nicht mehr vorhanden gewesen sei.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründe...