1 Allgemeines
1.1 Regelungsinhalt
Rz. 1
§ 16 ErbStG gewährt erwerberspezifische Freibeträge (Abzugsbeträge) in unterschiedlicher Höhe, die bei Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs berücksichtigt werden müssen. Anders als Freigrenzen, die eine (teilweise) Nichtbesteuerung nur gewähren, wenn die Freigrenze nicht überschritten wird, mindern Freibeträge den steuerpflichtigen Erwerb ohne einschränkende Bedingung. Nach Abzug der Freibeträge vom steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 ErbStG ist die Bemessungsgrundlage gefunden, auf die die Steuersätze des § 19 ErbStG Anwendung finden.
Eine Differenzierung der Freibetragshöhe nach Schenkung oder Erbschaft erfolgt grundsätzlich nicht (Ausnahme: Eltern- und Vorelternerwerb, Rz. 7, 13). Eine wesentliche Differenzierung ist die Unterscheidung von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht (Rz. 8).
1.2 Personenbezogenheit
Rz. 2
Die Freibeträge des § 16 ErbStG sind Freibeträge, die sich an der Person des Erwerbers orientieren, d. h. es handelt sich um persönliche Freibeträge. Anders als bei den sachlichen Freibeträgen, die an die Art des zugewendeten Gegenstandes (z. B. Hausrat) oder an den Zweck einer Zuwendung (z. B. Gemeinnützigkeit) anknüpfen, orientiert § 16 ErbStG die Höhe des Freibetrags nach persönlichen Eigenschaften. Diese sind:
Rz. 3
In § 16 ErbStG wird damit dem Angehörigenverhältnis, also einem formal persönlichen Verhältnis, hohe Bedeutung zuerkannt. Die Familienprivilegierung wird von der Rspr. des BVerfG nicht nur anerkannt, sondern für die Kernfamilie sogar gefordert. Das BVerfG hat schon mehrfach ausgeführt, dass der Gesetzgeber, die familiären Bezüge der nächsten Familienangehörigen zum Nachlass erbschaftsteuerrechtlich berücksichtigen muss. Ganz deutlich hat er dies in seinem Beschluss vom 22.6.1995 klargestellt:
Zitat
Neben den verfassungsrechtlichen Schutz der Testierfreiheit tritt der Schutz von Ehe und Familie. Deshalb sieht das bestehende Erbschaftsteuerrecht auch das Familienprinzip als weitere Grenze für das Maß der Steuerbelastung vor. … Der erbschaftsteuerliche Zugriff bei Familienangehörigen i. S. d. Steuerklasse I ist derart zu mäßigen, dass jedem dieser Steuerpflichtigen der jeweils auf ihn überkommene Nachlass – je nach dessen Größe – zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommt. Im geltenden Steuerrecht wird dies – bei den gegenwärtigen Steuersätzen – in typisierender Weise durch die Freibeträge des § 16 ErbStG für Ehegatten und Kinder erreicht, ….
Für den besonders begünstigten Erwerb der Ehegatten und neuerdings auch der Lebenspartner wird angeführt, dass deren Leistungsfähigkeit durch den Erwerb nicht in gleichem Maße gesteigert wird, wie durch den Erwerb von einem Dritten, weil der erwerbende Ehegatte über die bestehende Lebensgemeinschaft schon bisher am Vermögen des Zuwendenden partizipiert hat.
In dem der Erbschaftsteuerreform 2008 zugrunde liegenden Beschluss vom 7.11.2006 (1 BvL 10/02, BStBl II 2007, 192) hat das BVerfG die tragenden Prinzipien des Erbschaftsteuergesetzes bestätigt.
Wer zur selben Zeit von mehreren Personen erwirbt, erhält in Bezug auf jede Person den entsprechenden Freibetrag (Argument: es liegen mehrere Erwerbe vor).
Eltern schenken ihrer Tochter 840.000 EUR. Die Tochter kann aus 2 Erwerben – einen vom Vater, einen von der Mutter – in Höhe von 420.000 EUR jeweils einen Freibetrag von jeweils 400.000 EUR abziehen. Es verbleibt ein steuerpflichtiger Erwerb von 40.000 EUR, je 20.000 EUR vom Vater und 20.000 EUR von der Mutter.
1.3 Erwerbsbezogenheit
Rz. 4
§ 16 ErbStG knüpft an den konkreten steuerpflichtigen Erwerb der jeweiligen Person an. Von diesem sind die persönlichen Freibeträge abzusetzen, um den letztendlich zu versteuern...