"(3) Eine Person hat im Sinne des Absatz 1 Nr. 2 wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, ..."
Rz. 251
Funktion. Die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht setzt gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 voraus, dass der Stpfl. auch nach dem Wegzug weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich des Gesetzes hat. Dies entspricht der finanzwissenschaftlich orientierten Rechtfertigung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht, dass derjenige auch nach seinem Umzug in eine Steueroase der deutschen Steuerhoheit unterworfen bleiben soll, der aus der deutschen Infrastruktur weiteren wirtschaftlichen Nutzen zieht (vgl. Rz. 13). Was wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland sind, wird in Abs. 3 alternativ durch die Beteiligung des Stpfl. an inländischen gewerblichen Unternehmen (Nr. 1), durch den Umfang seiner nicht-ausländischen Einkünfte (Nr. 2) bzw. seines nicht-ausländischen Vermögens (Nr. 3) definiert. Abs. 4 erweitert dies um entsprechende Inlandsinteressen, die mittelbar, d.h. über eine zwischengeschaltete Gesellschaft i.S. von § 5 gehaltene werden.
Rz. 252
Zeitbezug der wesentlichen Inlandsinteressen. Der Zeitbezug der wesentlichen wirtschaftlichen Interessen im Inland scheint dem Grundsatz zu folgen, dass die vermögensmäßigen Interessen (Nr. 3) bereits zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorliegen müssen, während einkunftsbezogene Interessen (Nr. 2) auch während des Veranlagungszeitraums eintreten können. Bei näherer Betrachtung unterscheiden sich jedoch die drei in Abs. 3 Nr. 1 geregelten Sachverhaltsvarianten in dieser Hinsicht: Bei der ersten Variante ("Unternehmer oder Mitunternehmer") ist aufgrund der klaren Gesetzesformulierung der Beginn des Veranlagungszeitraums maßgeblich. Der Satzteil "wenn sie zu Beginn des Veranlagungszeitraums [...]" bezog sich in den Referentenentwürfen zum AStG auch auf die zweite Variante ("[...], sofern sie Kommanditist ist, zu mehr als 25 vom Hundert am Gewinn der Kommanditgesellschaft beteiligt ist"). Im Regierungsentwurf und in der gültigen Gesetzesfassung ist dies indessen nicht der Fall, weil die Passivkonstruktion ("[...] mehr als 25 Prozent der Einkünfte auf sie entfallen") nicht mehr die natürliche Person ("sie") zu Beginn von Abs. 3 Nr. 1 als Subjekt haben kann. Die Zeitbestimmung gehört daher grammatikalisch ausschließlich zum ersten Teilsatz, so dass es im zweiten Satzteil an einem eindeutigen Zeitbezug fehlt. Da diese zweite Variante von Abs. 3 Nr. 1 einkunftsbezogene Interessen definiert und der Gesetzeswortsinn einer Parallelität zu Nr. 2 nicht entgegensteht, sollte der auf die natürliche Person entfallende Anteil der Einkünfte veranlagungszeitraumbezogen ausgelegt werden. Zusätzlich ist aber zu fordern, dass die natürliche Person bereits zu Beginn des Veranlagungszeitraumes an der Gesellschaft beteiligt ist. Der dritten Variante ("wenn [...] ihr eine Beteiligung [...] gehört") fehlt seit dem Ersten Referentenentwurf ein ausdrücklicher Zeitbezug; der Satzteil "zu Beginn des Veranlagungszeitraums" bezieht sich hierauf nicht. Da sie vermögensbezogene Interessen definiert, sollten auch hier die Verhältnisse zu Beginn des Veranlagungszeitraums maßgeblich sein. Dies ist allerdings nicht dahingehend zu verstehen, dass die natürliche Person zu diesem Zeitpunkt bereits Inhaber einer Beteiligung von 1 % gewesen sein muss. Sie muss lediglich während eines von diesem Zeitpunkt zurückgerechneten Fünfjahreszeitraums in diesem Umfang beteiligt gewesen sein.
Rz. 253
Konsequenzen einer zeitpunktbezogenen Betrachtungsweise. Konsequenz der zeitpunktbezogenen Betrachtungsweise bei vermögensmäßigen Interessen ist, dass Einkünfte des Stpfl. der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen können, obwohl im Zeitpunkt von deren Erzielung keine wesentlichen Inlandsinteressen mehr bestehen und dass umkehrt Einkünfte steuerfrei bleiben können, obwohl entsprechende Interessen bestehen.
Beispiel
A gibt seinen inländischen Wohnsitz im Jahr 00 auf und zieht auf die Kaimaninseln. Er verfügt über einige Anleihen deutscher Emittenten, die allerdings die Voraussetzungen von Abs. 3 Nrn. 2 und 3 nicht erfüllen. Mit Wirkung vom 10.1.2007 beteiligt er sich als Gesellschafter an einer OHG, die einen Gewerbebetrieb im Inland unterhält (vgl. zur Beteiligung als Kommanditist Beispiel in Rz. 267).
Obwohl A aufgrund der Beteiligung an der OHG nahezu das ganze Jahr 07 über wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland verfügt, unterliegen die Anleihezinsen erst ab VZ 08 der erweiterten beschränkten Steuerpflicht.
Rz. 254– 260
frei