Rz. 140
Entschärfung des alten Absatzes 2 durch das BEPS-UmsG I. Der Gesetzgeber hat § 50i Abs. 2 mit dem sog. BEPS-UmsG I entschärft. Die Zwangsbesteuerung von stillen Reserven nach § 50i Abs. 2 EStG i.d.F. des KroatienAnpG im Falle von Umwandlungen, Einbringungen, unentgeltlichen Anteilstransaktionen nach § 6 Abs. 3 EStG, Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG sowie beim Strukturwandel von einem fiktiven in einen originären Gewerbebetrieb wurde vorbehaltlos und rückwirkend beseitigt (Anm. 141). Nach dem neuen § 50i Abs. 2 EStG wird nur noch die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG sanktioniert, wenn das deutsche Veräußerungsgewinnbesteuerungsrecht an den im Gegenzug für die Einbringung erhaltenen Kapitalgesellschaftsanteilen nicht gesichert ist (Doppelverstrickung der stillen Reserven). Die Steuerneutralität der Einbringung wird in § 50i EStG-Strukturen somit an eine zusätzliche Bedingung geknüpft, die über die Vorgaben im Umwandlungssteuergesetz hinausgeht (grds. Einfachverstrickung der stillen Reserven). Gleichwohl ist dies gegenüber der bisherigen Behandlung von Einbringungen eine deutliche Entschärfung, weil der alte § 50i Abs. 2 EStG den Einbringungsvorgang unabhängig von dem Bestehen des deutschen Besteuerungsrechts einer Zwangsbesteuerung zugeführt hat; eine Zwangsbesteuerung konnte nur im Billigkeitswege und nach entsprechender Antragstellung gem. dem BMF-Schreiben v. 21.12.2015 (Anm. 142) vermieden werden, wenn das deutsche Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile und an den Gewinnausschüttungen umfassend gesichert war (einen Besteuerungsvorbehalt für die Gewinnausschüttungen enthält § 50i Abs. 2 EStG n.F. nicht). Die Zusatzvoraussetzung des neuen § 50i Abs. 2 EStG trifft insb. EU-/EWR-Ausländer, was große Zweifel an der Europarechtskompatibilität der Vorschrift nährt (s. Anm. 46). Das EuGH-Urteil zur portugiesischen Einbringungsbesteuerung bestärkt diese Zweifel. Der Gesetzgeber sieht dies aber alles anders.
Rz. 141
BMF-Schreiben vom 5.1.2017. Während des Gesetzgebungsverfahrens zum BEPS-UmsG I bestanden noch Zweifel, ob die ausdrücklich vom Gesetzgeber beabsichtigte, rückwirkende Entschärfung der Zwangsrealisationstatbestände im Gesetzentwurf hinreichend abgebildet worden war. Die nunmehr leicht modifizierte finale Fassung des zeitlichen Anwendungsbereichs (§ 52 Abs. 48 Satz 4 EStG), aber insb. das unmissverständliche Bekenntnis des Gesetzgebers in den Gesetzesmaterialien haben die Bedenken an einer effektiven rückwirkenden Beseitigung des alten § 50i Abs. 2 EStG ausgeräumt. So sieht es auch das BMF in seinem Schreiben zu § 50i Abs. 2 EStG: "Die Neufassung des § 50i Absatz 2 EStG ersetzt die Vorschrift in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (BGBl. I S. 1266) rückwirkend und umfassend. § 50i Absatz 2 EStG in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 25. Juli 2014 ist somit zu keinem Zeitpunkt anzuwenden." Damit ist auch nach Verwaltungsauffassung klar, dass die von 2014 bis 2016 geltende Zwangsbesteuerung von § 50i EStG-Unternehmen im Falle einer Umwandlung oder Einbringung i.S. des § 1 UmwStG, einer Erbschaft oder Schenkung nach § 6 Abs. 3 EStG, einer Überführung oder Übertragung nach § 6 Abs. 5 EStG oder im Falle eines sog. Strukturwandels in keinem Fall anzuwenden ist. Der neue § 50i Abs. 2 EStG (mit seinen Folgen für Einbringungen nach § 20 UmwStG) ersetzt rückwirkend die von 2014 bis 2016 im Gesetz abgedruckte Rechtslage.
Rz. 142
Aufhebung des Billigkeitserlasses vom 21.12.2015. Die alten Zwangsrealisationstatbestände des § 50i Abs. 2 EStG wurden bereits vor der Gesetzesreparatur durch das BEPS-UmsG I von der Finanzverwaltung zurechtgestutzt, um massive Kollateralschäden insb. von deutschen Familienunternehmen abzuwenden. Im BMF-Schreiben v. 21.12.2015 wurden Voraussetzungen definiert, nach denen von einer Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven aus Gründen sachlicher Unbilligkeit abgesehen wurde. Erforderlich war, dass das deutsche Besteuerungsrecht ohne Berücksichtigung von § 50i Abs. 1 EStG auch nach der Umstrukturierung umfassend gesichert war und ein Billigkeitsantrag von den transaktionsbeteiligten Personen gestellt wurde. Mit der rückwirkenden Änderung des § 50i Abs. 2 EStG entfällt die Notwendigkeit von Billigkeitsanträgen. Gestellte Anträge sind gegenstandslos bzw. es müssen keine Billigkeitsanträge mehr gestellt werden, um eine Zwangsbesteuerung nach § 50i Abs. 2 EStG zu vermeiden. Folglich wurde auch das BMF-Schreiben v. 21.12.2015 mit Schreiben v. 5.1.2017 zurückgenommen. Das bedeutet jedoch nicht, dass in den nunmehr allein erfassten Einbringungsfällen des § 50i Abs. 2 EStG n.F. nicht auch Billigkeit vom Stpfl. begehrt werden könnte, wenn es nach der Lage im Einzelfall persönlich und/oder sachlich unbillig...