„(4) ... 2 Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a und des Absatzes 1 Satz 4 bei Zufluss seit mindestens einem Jahr ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien oder Genussscheine ist; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.”
Rz. 100
Einjährige Haltedauer zum Zuflusszeitpunkt. Nach § 50j Abs. 4 Satz 2 EStG sind die zusätzlichen Entlastungsvoraussetzungen des § 50j Abs. 1 Satz 1 EStG nicht zu beachten, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge (s. Rz. 58) zum Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge seit mindestens einem Jahr "wirtschaftlicher Eigentümer" der Aktien oder Genussscheine war, aus denen die betreffenden Kapitalerträge erzielt wurden. Diese Regelung findet sich ebenfalls in der Schwestervorschrift des § 36a EStG (vgl. Rz. 15), im dortigen Abs. 5 Nr. 2. Ebenso wie im Rahmen des § 50j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist der Begriff des wirtschaftlichen Eigentümers hier im Sinne der Zuordnung der Wertpapiere nach § 39 AO zu verstehen (s. Rz. 61).
Rz. 101
Verhältnis zur Mindesthaltedauer. Die Ausnahme des § 50j Abs. 4 Satz 2 EStG ergänzt die Entlastungsvoraussetzung der Mindesthaltedauer nach § 50j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (s. Rz. 60 ff.) insofern, als eine besonders lange Haltedauer der Wertpapiere von mindestens einem Jahr den Steuerpflichtigen von den zusätzlichen Entlastungsvoraussetzungen des Tragens des Mindestwertänderungsrisikos (s. Rz. 67 f.) und des Fehlens einer wirtschaftlichen Weiterleitungspflicht (s. Rz. 69 ff.) befreit. Aufgrund der besonders langen Haltedauer der Wertpapiere wird folglich gemäß § 50j Abs. 4 Satz 2 EStG unwiderlegbar vermutet, dass ein "Cum/Cum-Treaty-Shopping" (s. Rz. 8) nicht stattgefunden hat.
Rz. 102
Kapitalerträge im Sinne des "Absatz 1 Satz 4". Die Bezugnahme auf "Absatz 1 Satz 4" ist ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Wie auch in § 50j Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG sind hier Kapitalerträge im Sinne des § 50j Abs. 1 Satz 2 EStG (s. Rz. 43 ff.) gemeint. Denn § 50j EStG enthält in seinem Abs. 1 keinen Satz 4. Auch eine Bezugnahme auf Abs. 1 Satz 4 des § 43 EStG ergäbe keinen Sinn. Grund für das Redaktionsversehen dürfte die Übernahme der Formulierung des § 36a Abs. 5 Nr. 2 Halbs. 1 EStG sein. Dort wird auf Abs. 1 Satz 4 Bezug genommen, der nahezu wörtlich mit dem Abs. 1 Satz 2 des § 50j EStG übereinstimmt. Eine Korrektur des Redaktionsversehens enthält ein derzeit in Beratung befindlicher Gesetzentwurf der Bundesregierung (vgl. Rz. 2).
Rz. 103
Berechnung der Haltedauer entsprechend der Mindesthaltedauer. Die Haltedauer nach § 50j Abs. 4 Satz 2 EStG ist entsprechend den Anforderungen an die Mindesthaltedauer nach § 50j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG zu berechnen. Dies gilt nach dem ausdrücklichen Verweis des Halbs. 2 des Abs. 4 Satz 2 auf Abs. 2 Satz 2 insbesondere im Hinblick auf die Anwendung der sog. FIFO-Methode (vgl. Rz. 81 f.). Ebenso ist die "ununterbrochene" Haltedauer wie in § 50j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu interpretieren (s. Rz. 66). Anders als die Mindesthaltedauer nach § 50j Abs. 2 EStG ist die einjährige Haltedauer des § 50j Abs. 4 Satz 2 EStG jedoch weder innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erfüllen (vgl. Rz. 78), noch ist für sie die Fälligkeit der Kapitalerträge relevant (s. Rz. 79). Entscheidend für die Ausnahme des § 50j Abs. 4 Satz 2 EStG ist vielmehr allein die bisherige Haltedauer zum Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge.