Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 238
Regelungssystematik. Die Nr. 2 statuiert innerhalb der Missbrauchsvermutung des Satzes 1 das zweite Missbrauchsindiz. Dieses lässt sich terminologisch als „fehlende sachliche Entlastungsberechtigung” (der Körperschaft) bezeichnen. Nach der Gesetzeskonzeption soll Indiz für einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch sein, wenn die Einkunftsquelle (s. Rz. 401) keinen wesentlichen Zusammenhang (s. Rz. 392 ff.) mit einer Wirtschaftstätigkeit (s. Rz. 245 ff.) dieser (vgl. Rz. 354 ff.) Körperschaft (die den Entlastungsanspruch geltend macht) aufweist. Mit anderen Worten: Die sachliche Entlastungsberechtigung fehlt (d.h. das Missbrauchsindiz der Nr. 2 ist erfüllt),
- wenn (vgl. Rz. 495) entweder die Körperschaft bereits keine Wirtschaftstätigkeit ausübtoder
- soweit (vgl. Rz. 495 ff.) kein wesentlicher Zusammenhang zwischen einer tatsächlich ausgeübten Wirtschaftstätigkeit der Körperschaft und der Einkunftsquelle der Körperschaft besteht.
Positiv formuliert: Damit die sachliche Entlastungsberechtigung vorliegt und § 50d Abs. 3 EStG insgesamt nicht eingreift, ist erforderlich, dass
- eine Wirtschaftstätigkeit ausgeübt wird (sog. Aktivitätstest i.w.S., s.a. Rz. 254) und zugleich (!)
- die Einkunftsquelle einen wesentlichen Zusammenhang mit der Wirtschaftstätigkeit des Körperschaftsteuersubjekts aufweist (sog. Funktionstest ).
Das Gesetz vermutet insoweit einen Missbrauch allein auf der Grundlage objektiver Umstände, der Feststellung einer subjektiven Missbrauchsabsicht bedarf es tatbestandlich für die Versagung des Entlastungsanspruchs nach Satz 1 nicht. Der Missbrauch und damit die Versagungsrechtsfolge wird vielmehr durch das Vorliegen der objektiven Umstände indiziert, kann aber nach Satz 2 Alt. 1 (PPT, vgl. Rz. 504 ff.) widerlegt werden.
Rz. 239
Vergleich zu § 50d Abs. 3 i.d.F. BeitrRLUmsG. Die Vorgängerfassung des § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG stellte im Rahmen der fehlenden sachlichen Entlastungsberechtigung darauf ab, dass die Bruttoerträge der "ausländischen Gesellschaft" nicht aus der "eigenen Wirtschaftstätigkeit" stammten. Der Entlastungsanspruch war hiernach im Grundsatz (s. die weiteren alternativen Voraussetzungen in § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG) anteilig in Höhe der Quote zu versagen, wie die nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden ("schädlichen") Bruttoerträge zu den gesamten Bruttoerträgen der ausländischen Gesellschaft standen (sog. Aufteilungsklausel). Das hatte zur Folge, dass der Entlastungsanspruch auch anteilig zu versagen war, wenn die abzugsteuerpflichtigen Einkünfte vollständig einer eigenen Wirtschaftstätigkeit zuzuordnen waren und daneben noch schädliche Bruttoerträge vorlagen. Vor dem Hintergrund der Missbrauchsvermeidung war dies wenig nachvollziehbar und wurde daher zu Recht im Schrifttum scharf kritisiert. Von diesem Modell ist der Gesetzgeber nun zugunsten einer sog. funktionalen Betrachtung abgerückt. Das ist im Grundsatz als sachgerecht zu begrüßen. S. näher Rz. 393 f.
Rz. 240
Verhältnis zu Nr. 1: „ Und ”. Wird das Missbrauchsindiz der Nr. 2 erfüllt, so reicht dies allein nicht aus für die Missbrauchsvermutung und damit die Versagung des Entlastungsanspruchs: Zusätzlich muss für die Versagung des Entlastungsanspruchs noch das Missbrauchsindiz der Nr. 1 (= fehlende persönliche Entlastungsberechtigung) erfüllt sein (vgl. Rz. 7, 168). Das ergibt sich aus der "und"-Verknüpfung der Nr. 1 und Nr. 2 und ist im Übrigen auch unionsrechtlich geboten (vgl. Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 98). Sind zwar nur die Voraussetzungen der Nr. 1, nicht aber diejenigen der Nr. 2 erfüllt (sind z.B. nur nicht entlastungsberechtigte Anteilseigner beteiligt, besteht aber die sachliche Entlastungsberechtigung der Nr. 2), so wird der Entlastungsanspruch nicht versagt. Ebenso nicht versagt wird ein Entlastungsanspruch, wenn die Voraussetzungen der Nr. 2 zwar erfüllt, diejenigen der Nr. 1 aber nicht erfüllt sind (übt die Körperschaft z.B. keine Wirtschaftstätigkeit aus, aber alle ihre Anteilseigner sind selbst entlastungsberechtigt). Sind die Voraussetzungen der Nr. 1 und Nr. 2 kumulativ erfüllt, vermutet das Gesetz (widerlegbar) einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch und schließt aus diesem Grunde den Entlastungsanspruch der Körperschaft aus (zur Rechtsfolgenbestimmung vgl. Rz. 475 ff.). Diese Missbrauchsvermutung ist durch einen vom Steuerpflichtigen zu führenden PPT (Satz 2 Alt. 1, vgl. Rz. 504 ff.) oder die Börsenklausel (Satz 2 Alt. 2, vgl. Rz. 577 ff.) widerlegbar: Auch wenn die persönliche und sachliche Entlastungsberechtigung fehlen, liegt gleichwohl kein Missbrauch vor (die gesetzliche Missbrauchsvermutung ist widerlegt), wenn der Steuerpflichtige den PPT erfolgreich führt oder mit der Hauptgattung der Anteile an dem Körperschaftsteuersubjekt ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet.
Rz. 241
Praktische Bedeutung. Da der von der Körperschaft gelten...